Das Blut des Skorpions
und die beliebtesten mit Beifallsstürmen zu begrüßen, während die übel beleumundeten mit vulgären Schmährufen überschüttet wurden. Die Kutscher mussten oft zu ihren langen Peitschen greifen, um sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen.
Zahlreiche Straßenhändler liefen in der Menge herum und priesen laut rufend ihre Ware an. Horden von Gassenjungen wuselten sich durch die scheinbar unpassierbare Mauer von Erwachsenen hindurch und jagten hintereinander her.
Die prächtige Kutsche von Christine, der Königin von Schweden, die der berühmte Künstler Gian Lorenzo Bernini entworfen hatte, wurde mit regelrechten Ovationen empfangen. Alle wussten, dass die Königin auf den Thron einer der mächtigsten Nationen Europas verzichtet hatte, um zum katholischen Glauben überzutreten, und nie mit Spenden und Almosen für die Bedürftigen geizte, seit sie in Rom lebte. Beides hatte sie zum Liebling des Volkes gemacht.
Als die Königin aus der Kutsche stieg, wie immer in Begleitung von Kardinal Decio Azzolini, erhob sich denn auch lautes Jubelgeschrei, und manche Frauen gingen so weit, der schönen Schwedin Sträußchen von Wiesenblumen zuzuwerfen, um ihre Verehrung zu bekunden.
Die Königin zeigte sich sehr erfreut über diese Gunstbeweise, während ihr Begleiter weniger glücklich dreinblickte.
»Decio, Ihr wirkt besorgt. Kommt, entspannt Euch ein wenig und lächelt. Seht Ihr nicht, wie das römische Volk mich liebt!«
»Die Masse ist eine hässliche Bestie, meine Königin. Ihre Launen wechseln mit jedem Windstoß. Heute jubelt sie Euch zu, wohl wahr, aber morgen… Morgen kann alles ganz anders sein. Es ist besser, der Volksmenge zu misstrauen, man weiß nie, wann ihre Stimmung umschlägt.«
»Oh hört schon auf, wollt Ihr mir unbedingt die Festlaune verderben? Heute Abend will ich keine langen Gesichter sehen.«
Auch im Theater wurde Christine mit herzlichem Applaus empfangen, der aufgrund der edlen Herkunft der Damen und Herren im Vestibül jedoch etwas gemessener ausfiel. Als sie und der Kardinal, gefolgt von einem Dutzend Diener, die königliche Loge betraten, stieg vom Parkett unten, wo die Bürgerlichen sich tummelten, noch einmal stürmischer Beifall auf.
Christine war entzückt von dieser überaus freundlichen Begrüßung und ergoss ihr Lächeln gleichermaßen über Adelige wie Leute von bescheidenerer Abstammung.
Dann nahmen sie und ihr Begleiter auf den gut gepolsterten und reich verzierten Sesseln Platz und bekamen von eifrigen Dienern mit Schnee gekühlte Erfrischungsgetränke und Mandelkonfekt gereicht.
»Seht nur, Decio, ist das nicht wunderbar?«
»Ich bin leider etwas betrübt über die Nachrichten, die ich aus Schweden erhalte, Euer Majestät. Wie ich Euch schon in der Kutsche zu sagen versuchte, ist die Lage in Eurem Land gerade sehr beunruhigend. Karl XI. ist schwer erkrankt, und man fürchtet um sein Leben. Derweil hat dieser Taugenichts von Magnus das Sagen, der an allen Höfen Europas Einfluss zu nehmen versucht, um die antikatholische Front zu verstärken. Wie mir meine Agenten in Frankreich berichten, lässt sich auch der junge Ludwig XIV. von ihm blenden, ausgerechnet er, der sich zum Beschützer der katholischen Kirche erklärt hat! Ihr wisst, dass die Generalstände für Juni einberufen worden sind und dass Eure Anwesenheit bei dieser Versammlung äußerst wertvoll wäre, um Magnus’ Bestrebungen etwas entgegenzusetzen und Eure Rechte wiederherzustellen.«
»Puh, Decio, nun langweilt mich nicht mit solchen Reden. Im Moment möchte ich nur den schönen Abend genießen. Über diese Angelegenheiten sprechen wir später. Morgen oder übermorgen. Habe ich Euch eigentlich schon von den Kostümen und den Bühnenbildern erzählt? Ich habe dafür einen flämischen Künstler engagiert, einen ausgezeichneten Mann, der keine hohen Forderungen stellt, was ja auch nicht von Übel ist. Außerdem habe ich Leinen aus Flandern, venezianischen Brokat, hochwertige Wolle aus Irland und kostbare Seide aus Como kommen lassen. Ihr werdet sehen, wie prachtvoll sich das macht. Und dann die Szenenbilder, ein wahrer Triumph der Fantasie. Ganz zu schweigen von Abbatinis Musik! Gestern habe ich inkognito der Generalprobe beigewohnt, und ich kann Euch versichern, dass ein paar himmlische Melodien dabei sind. Il Pisanino ist tatsächlich ein so begnadeter Sänger, wie alle sagen.«
Mit kaum verhohlener Resignation tat Azzolini so, als interessiere er sich für ihr Geplauder, das ihm in dieser ernsten
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