Das Blut des Skorpions
Christine von seinen niederschmetternden Entdeckungen zu berichten. Schließlich war die Königin eine kultivierte Frau und den Erkenntnissen der Wissenschaft gegenüber sehr aufgeschlossen. Sie hatte die hervorragendsten Geister des Jahrhunderts um sich versammelt, darunter den großen Cassini, Michelangelo Ricci und andere berühmte Wissenschaftler. Aber würde sie ihn verstehen? Würde irgendjemand auf der Welt es verstehen?
Der Jesuit bezweifelte das.
Ergeben seufzend begann Kircher, der Königin die Vorrichtungen zu zeigen, die er entworfen und konstruiert und an den geeigneten Stellen des Parks hatte aufbauen lassen.
»Wenn Eure Majestät so gütig wären, mir zu folgen, könnte ich Euch den akustischen Mechanismus vorführen, den ich entwickelt habe, um den Klang des Orchesters zu verstärken, damit es im ganzen Park zu hören ist.«
Der fröstelnde Zug erreichte einen auf einer Lichtung aufgestellten Pavillon, der von hohen, ornamental beschnittenen Buchsbaumhecken halb verborgen wurde.
»Es handelt sich um eine Weiterentwicklung meiner neuesten Forschungsergebnisse«, fuhr der Pater fort, »von denen Ihr vielleicht in meiner Abhandlung Musurgia universalis gelesen habt. Seht Ihr dort? In den Ecken des Pavillons habe ich weite Trichter anbringen lassen, die am Abend des Festes noch durch Blumengirlanden unsichtbar gemacht werden sollen. Die Töne fließen in den Trichtern zusammen und werden durch dieses Rohr auf das Dach geleitet, wo die große Muschel den Klang verbreitet.«
»Habt Ihr das schon ausprobiert?«, fragte die Königin.
»Die Aufbauarbeiten sind erst gestern beendet geworden, Majestät, sodass noch keine Zeit für eine Probe war.«
Die Monarchin machte einem Höfling ein Zeichen, der daraufhin eine kleine Gruppe von Musikern mit ihren Instrumenten vortreten ließ. Sie stellten sich in dem Pavillon auf und stimmten mit steifen Fingern ein Stück von Jean-Baptiste Lully an.
Christine hörte aufmerksam einige Minuten zu.
»Nicht schlecht«, bemerkte sie schließlich, »obwohl es mir vorkommt, als schwelle der Klang ständig an und ab…«
»Diese Störung wird vom Wind verursacht, Euer Majestät. Wir können nur hoffen, dass am Abend des Festes bessere atmosphärische Bedingungen herrschen.«
»Bitten wir den Allmächtigen darum«, erwiderte die Königin trocken, »obwohl ich persönlich keine Zweifel hege, dass alles ausgezeichnet verlaufen wird. Nun wollen wir uns den Rest ansehen.«
Der Hofstaat setzte sich wieder in Bewegung, während die Musiker weiter beliebte Stücke nach der Mode der Zeit spielten, damit die Königin sich auch an den entferntesten Stellen des Parks von der Wirksamkeit des Verstärkermechanismus überzeugen konnte.
»Nun denn, Majestät«, erklärte Kircher weiter, »in diesem Winkel habe ich eine Laterna magica aufstellen lassen, die Szenen aus der griechischen Mythologie projizieren wird. Die Figuren wurden von ausgezeichneten Künstlern gestaltet, nämlich Maratta, Baciccia, Fulminacci…«
»Die ersten beiden kenne ich, aber dieser Fulminacci ist mir neu«, sagte die Königin, während sie die Apparatur betrachtete, die geschickt hinter einer mit dichtem Laub bewachsenen Felsspalte versteckt war.
»Er ist ein Maler aus der Lombardei, Euer Majestät, ein sehr talentierter junger Mann. Seht Euch das Objektiv einmal genau an. Ich habe noch nie eines von dieser Größe hergestellt und musste unzählige Probleme lösen, um die Scharfeinstellung regulieren zu können. Die Bilder werden auf ein durchsichtiges Seidentuch projiziert werden, das zwischen den Büschen verborgen ist, sodass der Eindruck entsteht, sie schwebten in der Luft. Bei Tageslicht ist die Wirkung leider gleich null, aber ich darf Euch versichern, dass das Ergebnis meine eigenen Erwartungen übertrifft.«
»Ich kann es kaum erwarten, es mit eigenen Augen zu sehen«, sagte die Königin.
»Gemäß unserer Übereinkunft habe ich mir erlaubt, ein paar Abwandlungen am Programm vorzunehmen«, sprach Kircher weiter. »Da ich Eure Vorliebe für Torquato Tasso kenne, habe ich in diesem Wäldchen dort unten ein weiteres Sprachrohr anbringen lassen. Ein Schauspieler wird Passagen aus Das befreite Jerusalem rezitieren, während die Laterna magica Szenen auf die Bildfläche werfen wird, die extra für diesen Anlass gemalt wurden und die Erzählung illustrieren.«
»Eine hervorragende Idee, Pater. Das hätte ich mir selber nicht besser ausdenken können.«
Der Pilgerzug setzte sich zum Flussufer fort, wo
Weitere Kostenlose Bücher