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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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lange Reihen von Feuerwerkskörpern bereitstanden, die zum Schutz noch von Wachstüchern bedeckt waren.
    »Was das Feuerwerk angeht, habe ich mich an Eure Anweisungen gehalten. Die rechte Reihe hier wird den Nachthimmel mit den Farben Eures Hauses erhellen, die linke mit denen des päpstlichen Banners. Ich habe mir dafür Rat bei einem deutschen Alchimisten geholt, mit dem ich schon lange in Korrespondenz stehe und der mir eine Formel für leuchtendere und länger anhaltende Farben geschickt hat. Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass es an dem Abend nicht regnet. Dieses Gemisch ist stärker als das, das gewöhnlich verwendet wird, aber auch empfindlicher gegen Feuchtigkeit.«
    »Es wird ein wunderbarer Abend, keine Angst«, erwiderte die Königin. »Ich bin wirklich beeindruckt von der Vielfalt und Einzigartigkeit Eurer Ideen, Pater. Wir werden ein unvergessliches Fest haben, glaubt mir.«
    »Das ist noch nicht alles, Majestät. Ich habe noch eine weitere Überraschung für Eure Gäste auf Lager. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt…«
    Neugierig begleitete Christine den Jesuiten zur anderen Seite des Parks und bog mit ihrem Geleit in einen Weg ein, an dessen Ende sich eine kreisförmige Lichtung öffnete.
    In der Mitte der Lichtung stand eine Holzkiste, die mehr als sechs Fuß hoch und vier Fuß breit war. Ihre vier Seiten waren kunstvoll mit orientalisch anmutenden Verzierungen bemalt, die an türkische Moscheen erinnerten.
    Kircher holte einen Schlüssel aus seiner Kutte, hantierte kurz an dem Schloss herum und öffnete die vordere Klappe.
    Im Innern erblickte die Königin einen Soldaten in türkischer Kleidung, der fast genauso groß war wie die Kiste. In seinen mit Kettenhandschuhen bedeckten Händen hielt er eine Pike mit fein geschliffener Spitze. Der Janitschar war seinem echten Vorbild perfekt nachgebildet, von der damastenen Uniform und den Schnabelschuhen über den großen Turban mit Federbusch bis hin zu den Pluderhosen, die unten mit funkelnden Beinschienen geschlossen wurden. Das Gesicht und die Hände bestanden aus glänzendem schwarzem Porzellan.
    Der Jesuit betrat die Kiste und machte sich am Rücken der Figur zu schaffen. Man hörte Mechanikgeräusche, Federn, die gespannt wurden, ein Knacken und Schnarren wie beim Räderwerk einer Wanduhr.
    Plötzlich schlug der Krieger die Augen auf und ließ zwei elfenbeinfarbene Augäpfel und jettschwarze Pupillen sehen. Die Augen rollten zuerst nach rechts, dann nach links, wie um festzustellen, ob der Weg frei war.
    Dann streckte die Riesenpuppe das rechte Bein vor, fast zögerlich, als hätte die lange Reglosigkeit ihre Glieder steif gemacht. Das linke Bein folgte sogleich in exakter Abstimmung, und die Puppe begann über die Lichtung zu laufen. Nach wenigen Schritten bewegten sich auch die Arme und hoben die Pike in eine horizontale Haltung, sodass sie sich genau parallel zum Boden befand.
    Die Schritte des Soldaten wurden immer länger und entschiedener, als wollte er auf einen imaginären Feind losgehen, doch nachdem er fast die gesamte Lichtung überquert hatte, war das Laufwerk am Ende, und er blieb stehen und senkte die Pike wieder in die anfängliche Position.
    Christine war so begeistert von diesem Wunderwerk der Mechanik, dass sie kleine Entzückensschreie ausstieß. Der Pater sah sich keiner Monarchin mehr gegenüber, die ihre Gefühle jederzeit zu beherrschen wusste, sondern einem kleinen Mädchen, das am Weihnachtsabend das lang ersehnte Spielzeug bekommen hat.
    »Es handelt sich um einen von mir erfundenen Mechanismus«, versuchte Kircher der völlig verblüfften Königin zu erklären. »Die Figur enthält ein ganzes System von Federn, Riemenscheiben, Rollenzügen, Kardangelenken und Gegengewichten, durch die sie sich, sobald sie aufgezogen ist, wie ein richtiger Soldat bewegen kann. Bislang verfügt sie nur über eine eingeschränkte Reichweite, weil ich noch keine Zeit hatte, den Mechanismus zu perfektionieren, aber ich bin zuversichtlich, bald einige Verbesserungen anbringen zu können.«
    »Ich bin aufs Höchste erstaunt und entzückt«, sagte die Königin, als sie die Sprache wiedergefunden hatte. »Ein außerordentliches, überwältigendes, unglaubliches Werk! Ich bin ganz gerührt bei dem Gedanken, dass Ihr Euren genialen Geist eingesetzt habt, nur um mich, die niedrigste, bescheidenste und ungebildetste Eurer Schülerinnen, zu verblüffen.«
    Der Jesuit verbeugte sich verlegen. Das Lob freute ihn zwar, doch der Automat war nicht in erster

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