Das Blut Von Brooklyn
Grund.
Tief vergraben, aus gutem Grund.
Ein Taxi bringt mich zur 10ten zurück. Meine Schlüssel klirren im Schloss. Ein Code aktiviert die Alarmanlage. Eine Falltür lässt mich in mein geheimes Kellerappartement gelangen, in dem ich wohne. Eine Kombination öffnet meinen Safe und verschafft mir Zugang zu meinen Waffen.
Die mich nicht beschützen können.
Er war schon mal hier.
Türen und Schlösser sind kein Hindernis für ihn. Verstecke sind seine natürliche Heimat. Ein Revolver hält ihn nicht auf. Trotzdem stehe ich mit einer Waffe in der Hand mitten im Raum und versuche, ihn zu erschnüffeln. Ich suche nach toten Punkten in der Luft, Stellen, an denen seine Anwesenheit alle anderen Gerüche einfach zum Verschwinden bringt. Ich habe Angst. Allein schon über ihn zu reden, könnte ihn anlocken. Am liebsten würde ich mich unter der Bettdecke verkriechen, um mich vor ihm zu verstecken.
Vor dem Geist.
Und vor all den anderen Dingen, die mir die kleine Amanda Horde erzählt hat.
Normalität.
Als wäre ich jemals normal gewesen. Als wäre ich früher so viel anders gewesen als jetzt. Ein Heilmittel wird keinen guten Menschen aus mir machen. Es würde mich nur in einen ganz gewöhnlichen Hurensohn verwandeln. Durch das Vyrus wird man ja kein neuer Mensch. Ganz bestimmt nicht. Wenn man sich infiziert und überlebt, dann nur, weil man auch vorher kein Problem damit gehabt hätte, Blut zu trinken.
Woher man weiß, dass man so einer ist? Gar nicht, bis sich dein Mund um eine frische Wunde schließt und du dich dabei ertappst, wie du deine Zunge reinsteckst und anfängst zu saugen.
Ob Evie das Zeug dazu hat? Wenn es wirklich ein Heilmittel gibt, bleibt es mir unter Umständen erspart, das herausfinden zu müssen.
Wenn eine Heilung möglich ist.
Jetzt bin ich bewaffnet. Also werde ich losziehen und mit jemandem über die ganze Sache reden.
– Himmel, Joe, bin ich froh, dass du vorbeikommst. Ich hab die ganze Zeit versucht, dich anzurufen.
– Wie lange geht das schon so?
– Keine Ahnung. Als ich gekommen bin, hat er sich schon so aufgeführt.
– Aha. Du bist also rein zufällig vorbeigekommen?
Phil reibt sich die Nase.
– Klar. Schon. Wollte nur Hallo sagen.
– Weil ihr so gute Kumpels seid. Deswegen schaust du ab und zu mal rein.
– Also, na ja. Ich hab nicht gesagt, dass wir Kumpels sind. Klar, wir kommen gut miteinander aus, aber Kumpels, das ist, na ja, etwas übertrieben.
– Hast du was dabei, Phil?
Er fährt mit den Händen über die Hosentaschen.
– Sehe ich so aus? Schön wär’s.
– Nicht deinen Stoff. Seinen Stoff.
Er bohrt einen Finger in sein Ohr.
– Äh, nein, da hab ich gerade nichts. Aber, klar, ab und zu gibt mir Mr. Bird was für ihn mit. Keine Ahnung, wie der an das Zeug rankommt.
– Mr. Bird.
Ich sehe ihn mir genauer an. Ein leichenblasser Hungerhaken in hautengen Latexhosen. Weiße Tennissocken ragen etwa zehn Zentimeter aus Schuhen aus zweifarbigem Leder. Er trägt eine zur Hose passende Jacke und ein besticktes Cowboyhemd mit silbernen Aufsätzen am Kragen. Um seinen Hals hängt eine Schnürsenkelkrawatte. Sie wird von einer Spange zusammengehalten, auf der eine in Bernstein eingeschlossene Kakerlake befestigt ist.
Er fummelt an seiner wasserstoffblonden Haartolle herum, die ihm zusätzliche zwanzig Zentimeter Körpergröße verleiht.
– Also, da du jetzt hier bist und auf ihn aufpasst, mach ich mich mal wieder vom Acker.
Er will sich in Richtung Tür schleichen.
Ich räuspere mich.
– Phil. Weißt du eigentlich, wie oft ich mir heute Nacht schon gewünscht habe, ich hätte eine Knarre dabei?
Sein Blick wandert zwischen mir und der Tür hin und her.
– Äh, nein, keine Ahnung.
– Ziemlich oft. Und weißt du noch was?
– Was denn?
– Wenn du mir weiter auf die Eier gehst, wünsch ich mir vielleicht wieder eine Kanone, um dir ins Knie zu schießen, damit ich mich etwas besser fühle. Und dieses Mal geht der Wunsch glatt in Erfüllung.
Er kaut auf einem Fingernagel herum.
– Also, äh, das heißt, du bist bewaffnet, oder wie?
Ich nicke.
– Genau.
– Und ich soll hier bleiben, stimmt’s?
– Du hast’s erfasst.
Er schluckt ein Stück Nagelhaut hinunter.
– Wieso drohst du mir nicht einfach? Mann, ist das denn so schwer? Wieso machst du’s so kompliziert? Jetzt weiß ich nicht mal, was ich tun muss, damit du mir keine reinhaust.
Ich gehe auf den Grafen zu, der nackt in einer Ecke der Dachwohnung kauert. Seine Lippen bewegen
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