Das Blut Von Brooklyn
sich, und er spuckt einen Schwall Silben aus.
– Tut mir leid, aber ich dachte, du würdest es inzwischen auch so kapieren. Instinktiv.
Phil folgt mir.
– Klar, im Zweifel für den Angeklagten und so. Aber echt, Joe. Solange ich nicht high bin, kannst du nicht erwarten, dass ich klar denke.
Ich bleibe außerhalb der Symbole stehen, die der Graf mit seinem eigenen Blut und Kot in Kreisform um sich herum auf den Boden geschmiert hat.
Ich deute mit der Stiefelspitze darauf.
– Was ist das für ein Scheiß?
Phil schnüffelt.
– Riecht wie ganz normale, herkömmliche Scheiße, oder nicht?
– Ich meine die Bilder, Phil. Nicht das, womit sie gemalt sind.
– Ach so, klar. Äh, keine Ahnung. Irres Zeug, oder?
Irres Zeug. Da hat er wohl recht.
Ich gehe in die Hocke, damit ich dem Grafen ins Gesicht sehen kann. Seine Augen rollen wie wild, sein Blick kreist über die Muster auf dem Boden, der Wand und der Decke und bleibt bei jeder Umdrehung kurz an der Klinge des Messers hängen, das er gegen sein Handgelenk drückt.
– Graf.
Er sieht mich flüchtig an, dann gehen seine Augen wieder auf Wanderschaft.
– Graf.
Keine Reaktion.
Ich sehe mir den blutigen Klumpen an, der einmal sein rechter Fuß war. Kleine Knochenstückchen ragen aus dem halb verheilten Fleisch. Das Vyrus versucht, ihm neue Zehen wachsen zu lassen, aber Knochen, Muskeln und Haut sind hoffnungslos hinüber. Das kann selbst das Vyrus nicht mehr reparieren.
Ich frage mich, ob eine Kugel in seinem anderen Fuß endlich seine Aufmerksamkeit wecken würde. Beim ersten Mal hat es schließlich ganz gut geklappt.
Stattdessen stochere ich in einem Müllhaufen auf dem Boden herum, bis ich ein von Ratten angeknabbertes Essstäbchen finde.
Ich recke es drohend in die Luft.
– Graf.
Nichts.
Mit einer heftigen Bewegung fahre ich damit durch den Kreis aus unsinnigen Symbolen auf dem Boden.
– Nicht! Neinneinneinneinnein!
Er schneidet sich mit dem Messer ins Handgelenk. Blut fließt, während er auf allen vieren vorwärtskrabbelt und die Linien nachzieht, die ich zerstört habe.
– Nein, nein, nein, nein, Joe! Joe, Joe, Joe, Joe, nein!
Er hält inne und überprüft sein Werk. Er hält das Handgelenk darüber, damit die letzten Tropfen darauffallen können, bevor das Vyrus die Wunde schließt.
Ich tippe mit dem Essstäbchen auf den Boden.
– Du siehst nicht besonders gut aus, Graf.
Er starrt mich an. Dann öffnet er den Mund, wirft den Kopf in den Nacken und fängt an zu lachen.
– Nein, nicht besonders gut. He, he, he. Nicht besonders, Joe.
Er klappert mit den Zähnen, senkt den Kopf und deutet mit dem Messer auf mich.
– Hey, hey, Joe, Joe, Joe Pitt. Weißt du was?
– Was?
Er legt die Hand an den Mund, als hätte er ein Geheimnis mitzuteilen.
– Du hast einen gewissen Ruf.
– Im Ernst?
– Und weißt, weißt, weißt du, was für ein Ruf?
– Nein.
Er sieht Phil an und beugt sich vor, ohne dass sein Körper den Kreis aus Linien verlässt.
– Man sagt, du bringst Leute um.
– Ach. Schau an.
Er lässt die flache Seite der Klinge gegen seine Wange klatschen, drückt den Stahl gegen seine dreckige Haut.
– Tust du mir einen Gefallen, Joe Pitt, ja?
Ich zucke mit den Schultern.
– Sag ich dir, wenn ich weiß, was es ist.
Er steckt die Messerspitze in sein linkes Nasenloch und richtet den Griff auf mich.
– Bring mich um, ja? Bitte, Joe. Bittebitte.
Ich denke darüber nach. Überlege mir, ob ich meine Handfläche gegen das Messer rammen und es durch seine Stirnhöhle in sein Gehirn jagen soll. Aber das würde ihn nicht umbringen, jedenfalls nicht sofort. Der Winkel stimmt nicht. Es würde tierisch wehtun und ihn in einen Schwachsinnigen verwandeln. Aber vom Rückenmark ist die Klinge viel zu weit entfernt.
Wenn ich ihn allerdings so betrachte, stellte sich die Frage, ob er dann wirklich so viel schlimmer dran wäre.
– Ich brauche Informationen, Graf.
Seine Augenbrauen schießen nach oben.
– Klar, toll, ein Tauschhandel! Bring mich um, und ich erzähl dir alles, was du wissen willst, okay?
Ich reibe mir übers Kinn.
– Machen wir einen Kompromiss.
Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. Er wartet auf den Haken an der Sache.
– Nämlich?
– Wie wär’s, wenn du mir zuerst erzählst, was ich wissen will? Und dann bring ich dich um. Was meinst du?
Seine Augen schließen sich. Öffnen sich wieder. Er zieht das Messer aus der Nase.
– Okay, okay, okay, aber keine Verarsche. Keine deiner üblichen Tricks,
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