Das Blut Von Brooklyn
Mutter nicht mit dem Eis aufgehalten hätte. Wie alt bist du jetzt? Siebzehn? Da hast du noch viel Zeit, dich weiterzuentwickeln. Noch mal zwanzig Jahre, und du bist der perfekte Upper-East-Side-Abschaum mit einem ausgewachsenen Alkoholproblem, einem vorzeigbaren Ehemann, einer Horde Lustknaben und einem perfekten Hintern.
Sie nippt an ihrem zweiten Drink. Ihr Atem bringt die Eiswürfel zum Dampfen.
– Und wenn ich dann genauso bin wie meine Mom, bringst du mich dann auch um?
Ich nehme einen Zug. Schmecke ihren Lippenstift. Erinnere mich daran, wie mich ihre Mutter geküsst hat.
Ich werfe die Kippe in das Spülbecken.
– Einen Unterschied gibt’s noch. Sie hätte mir auch was zu Trinken angeboten.
Sie leert ihr Glas und stellt es auf den Tresen.
– Tja, genau wie du gesagt hast.
Sie geht auf die Tür am anderen Ende des Raums zu und knöpft sich dabei die Bluse auf.
– Ich bin nicht sie. Mach dir deinen Drink selbst. Ich muss mich umziehen.
– Ich bin nicht mehr hier, wenn du zurückkommst.
Sie bleibt in der Tür stehen und lässt die Bluse zu Boden gleiten.
– Wer ist jetzt der Schauspieler, Joseph? Klar bist du noch hier. Schließlich kannst du’s kaum erwarten zu hören, warum ich Sela nach dir geschickt habe. Und du willst sehen, ob ich inzwischen erwachsen geworden bin.
Und dann geht Amanda Horde lächelnd aus dem Raum, wobei sie nichts als eine Tausend-Dollar-Jeans, einen kleinen Fetzen schwarzer Seide und die Handschelle trägt, die ich einst von meinem eigenen Handgelenk genommen und um ihres gelegt habe.
Verdammt. Der Teufel soll mich holen, wenn sie nicht hundertprozentig ins Schwarze getroffen hat.
Ja, ich habe ihre Mutter umgebracht.
Mehr oder weniger.
Eigentlich war sie schon tot, als ich ihr das Genick brach. Sie war mit einem Bakterium infiziert, das sie in einen Zombie verwandelt hätte. Oder wie auch immer man eine Kreatur bezeichnen will, die durch die Gegend stolpert und anderer Leute Gehirn frisst. Außerdem wollte sie sterben. Aus Angst davor, dass sie ihr eigenes Kind auffrisst.
Ich persönlich wundere mich nicht groß über Eltern, die ihre Kinder fressen. Das Phänomen begleitet die Menschheit schon seit Urzeiten. Was aber nicht heißen soll, dass ich gerne dabei zusehe. Die Frau zu töten, erschien mir damals die richtige Entscheidung. Die beste Option.
Außerdem hat sie mich darum gebeten.
Und sie hat mich geküsst.
In jener Nacht war alles ziemlich kompliziert.
Wenn man lange genug über so eine Nacht nachdenkt, fallen einem verdammt viele Fragen ein. Die drehen sich zum größten Teil um einen selbst. Was man für ein Mensch ist. Wie man handelt und warum. Woran man glaubt. Wovon man tief im Inneren überzeugt ist.
In Filmen können sich Vampire nicht im Spiegel sehen. Ich kann das schon, betrachte mich aber trotzdem nicht gerne selbst. Es hat schon seinen Grund, dass manche Sachen im Inneren verborgen bleiben. Damit niemand was davon mitkriegt.
Das Mädchen ist jung. Fast noch ein Kind. Sie weiß es nicht besser. Und ich hab keine Ahnung, was sie wirklich will. Schließlich ist sie ein Teenager, und kein Mensch kapiert, was denen so durch den Kopf geht. Wahrscheinlich will sie alles. Alles, was ihr die Welt zu bieten hat. Und da sie das Kind reicher Eltern ist, will sie es auch besitzen.
Ach ja, die Jugend.
Ich mache mir einen Drink. Und noch ein paar weitere, bis sie endlich wieder auftaucht.
– Sela kann sich nicht betrinken.
Sie steuert direkt auf die Bar zu. Zu den Jeans trägt sie jetzt ein enges rosa Smokinghemd mit Rüschen. Sie hat wieder Make-up aufgetragen und ihren 80er-Jahre-Rocker-Fransenschnitt zurechtgesprüht.
Ich schenke mir einen Bourbon ein, gehe zum Fenster und sehe auf die Park Avenue hinunter.
– Sie versucht’s nur nicht richtig.
Amanda lacht.
– Wirklich, sie kann’s nicht.
– Wir können uns schon besaufen. Aber das ist harte Arbeit. Man muss genug Schnaps in den Blutkreislauf bringen, bevor das Vyrus alles wieder rauswäscht.
– Ja, klar, hat sie mir auch gesagt. Aber sie kann aus ganz normalen Gründen nicht trinken. Sie ist Alkoholikerin. Deshalb darf sie nicht trinken. Das habe ich gemeint, als ich gesagt habe, sie trinkt nicht. Alkohol, meine ich. Nicht das andere Zeug. Das trinkt sie schon.
Ich nippe an meinem Whiskey und tue so, als würde ich die Straße beobachten. In Wirklichkeit betrachte ich ihr Spiegelbild in der Glasscheibe.
Sie geht zum Eames-Sessel und lässt sich reinfallen.
– Aber das
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