Das Blut Von Brooklyn
verrammelt, die Fenster verschlossen. Niemand will mit ihnen reden, nur ein alter Mann. Er nimmt sie zu sich. In dieser Nacht kommen die Männer aus Gibea zum Haus des alten Mannes und verlangen von ihm, den Fremden auszuliefern. Der Alte fürchtet um das Leben des Fremden und fleht sie an, zu gehen. Sie weigern sich. Also bietet ihnen der Mann seine Tochter an. Mit dieser können sie tun, was ihnen gefällt, wenn sie nur den Reisenden in Frieden lassen. Doch die Männer gehen nicht darauf ein. Also bietet ihnen der Reisende seine Nebenfrau an, und die Männer aus Gibea schänden sie und treiben ihren Mutwillen mit ihr die ganze Nacht bis in den Morgen. Es war unser Stamm, der Stamm Benjamin, der dies tat.
Er sieht Rachel in die Augen.
– Die Nebenfrau starb. Aber sie klagte nicht. Sie opferte sich. Der Reisende nahm den Leichnam der Nebenfrau, einer Frau, die, was nicht unerwähnt bleiben darf, eine berüchtigte Ehebrecherin war, und zerlegte sie Glied für Glied in zwölf Stücke und sandte sie in alle Grenzen Israels.
Er wendet sich von Rachel ab.
– Eine Botschaft, die die anderen Stämme sehr wohl verstanden.
Er senkt den Blick, umklammert fest Lydias Kiefer und Rachels Handgelenk und trennt die beiden voneinander. Lydias Kehle bewegt sich immer noch, ihre Zunge leckt Blut von ihren Lippen.
– Sie sandten vierhunderttausend Mann nach Gibea, eine Stadt, deren Männer nicht mehr als siebenhundert zählten. Es waren siebenhundert auserlesene Männer, die linkshändig waren und mit der Schleuder ein Haar treffen konnten, dass sie nicht fehlten. Und neben diesen siebenhundert standen sechsundzwanzigtausend andere Männer des Stammes Benjamin.
Er hat noch mehr Verbandsmaterial aus seinem Koffer geholt und fängt an, Rachels Handgelenk zu versorgen.
– Also, sechsundzwanzigtausendsiebenhundert gegen vierhunderttausend. Die Chancen standen schlecht. Das ist ungefähr siebzehn zu eins.
Er befestigt die Enden des Mullverbands.
– Allein in der ersten, der allerersten Schlacht, töteten die Benjaminiter zweiundzwanzigtausend ihrer Feinde.
Er rückt Rachels Blusenärmel wieder zurecht.
– Da standen die Chancen schon besser, aber immer noch schlecht. Ein Spieler würde nicht auf ihren Sieg wetten, vermute ich. Oh nein. Vor der zweiten Schlacht baten die Israeliten den Herrn um Rat. Doch die Benjaminiter schlugen von Israel noch achtzehntausend zu Boden, die alle das Schwert führten.
Er richtet sich auf.
– Es wundert nicht, dass die Kinder Israels besorgt waren. Sie zogen nach Bethel vor den Herrn und fasteten und brachten Brandopfer dar und beteten und fragten den Herrn, was sie tun sollten, und Gott sagte: Zieht hinauf, morgen will ich sie in eure Hände geben.
Er betritt den Mittelgang.
– Und Gott hielt sein Versprechen, ja? Natürlich tat er das, so dass die Israeliten an dem Tag fünfundzwanzigtausend und hundert Mann vom Stamme Benjamin verderbten.
Er geht auf den Toraschrein zu.
– Die alle das Schwert führten.
Er öffnet den Schrein und berührt die Schriftrollen.
– Es gab weiteres Morden. Natürlich. Nicht überraschend. Die Kinder Israels trieben die Benjaminiten vor die Mauern Gibeas und zertraten sie. Sie stürmten die Stadt und schlugen die Einwohner mit der Schärfe des Schwerts und brannten sie nieder.
Er dreht sich um, ohne die Hände von der Tora zu nehmen.
– Am Ende flohen sechshundert Mann zum Fels Rimmon in der Steppe. Das war alles, was vom Stamm Benjamin übrig war. Benjamin wäre gestorben. Doch die Kinder Israels wussten, dass sie dadurch eine große Sünde auf sich geladen hätten. Eine Sünde, die nicht vergeben wird. So etwas gibt es. Die Benjaminiter wurden vertrieben, sie hatten kein Reich mehr, doch vierhundert Jungfrauen von Jabesch in Gilead wurden ihnen gegeben. Und noch mehr wurden von den Feldern Silos geraubt, als sie den Regentanz tanzten. Um den Stamm am Leben zu erhalten. Es waren diese Frauen, verstehen Sie, die Frauen. Sie waren so wertvoll. Nur wenige stammten aus dem Geschlecht Benjamin. Sie waren die Töchter von Müttern, die in andere Stämme eingeheiratet hatten. Und so überlebten die Benjaminiten.
Er sieht mich an.
– Aber keiner der Männer aus Gibea.
Er geht auf mich zu.
– Die Männer, die bei Nacht das Haus des alten Mannes umstellt und verlangt hatten, dass man ihnen den Fremden ausliefere. Die Männer, die die beiden unschuldigen Frauen geschändet und die ganze Nacht ihren Mutwillen mit ihnen getrieben hatten und mit der
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