Das Blut von Magenza
beziehen.“
„Du sagst es! Da wir zwei Päpste haben, ist es für uns Bischöfe oft eine Gratwanderung. Aber es ist allgemein bekannt, dass ich mich zu Clemens bekenne.“
„Geratet Ihr nicht in einen Loyalitätskonflikt, wenn Ihr Euch nur auf seine Seite schlagt und Urban nicht anerkennt?“
„So ganz stimmt das nicht. Ich bin ein Verfechter der Hirsauer Klosterreform, was mich wieder näher an Urban rücken lässt. Bislang verstand ich es jedenfalls, mich mit beiden Päpsten einigermaßen gutzustellen, sodass weder meinem Amt noch der Stadt oder dem Erzbistum Schaden entstanden ist.“
Griseldis kam der Spruch in den Sinn, dass man nicht zwei Herren dienen könne, und teilte im Stillen diese Ansicht. Ruthard schien jedoch nicht zu zweifeln und genau zu wissen, was er tat. Und wie es schien, ging seine Rechnung bis jetzt auf.
„Mehr gibt es nicht von mir zu berichten“, schloss er.
„Ach, übrigens sprach heute auf dem Brand einer dieser Wanderprediger und warb Teilnehmer für die bewaffnete Pilgerfahrt. Er war äußerst wortgewandt und lockte eine große Menschenmenge an.“
„Davon hat man mir nichts berichtet. Es war allerdings zu erwarten, dass sie auch hierher kommen. Nur dachte ich nicht, dass es so bald geschieht. Das gefällt mir nicht. Ich überlege mir, ob ich den Wanderpredigern den Zutritt zu Mainz generell verwehren soll. Ihre Ansprachen sorgen nurfür Unmut.“
„Warum?“, hakte sie nach.
„Erstens, weil ausgerechnet Papst Urban den Kreuzzug ausrief, der ein erklärter Feind unseres Kaisers ist. Zweitens, weil ich diesen bewaffneten Zug generell mit großer Skepsis sehe. Mir kam Unschönes zu Ohren. Es gab in Frankreich Übergriffe der Kreuzfahrer auf die Bauern, aber auch auf Juden, und die deutschen Juden stehen weitestgehend unter kaiserlichem Schutz, den ich als Kurfürst zu garantieren habe. Immerhin ist die blühende Gemeinde Magenzas für Mainz von immenser Bedeutung. Wenn dergleichen hier geschähe, hätte das schwerwiegende Folgen für die Stadt, ihre Bürger und auch für mich.“
„Ihr fürchtet, Mainz könnte erobert werden?“, fragte sie überrascht, denn dieser Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen. „Wurde es nicht schon einmal belagert und dennoch nicht eingenommen?“
„Das stimmt. Otto I. harrte zwei Monate aus. Das war aber vor mehr als hundert Jahren“, bestätigte Ruthard.
„Ihr habt doch den Oberbefehl über die Mauern und Tore. Wenn Ihr sie nicht öffnet, gelangt niemand hinein. Außerdem verfügt Ihr über Soldaten und seid ein mächtiger Mann, dessen Wort Gewicht hat. Wer sollte es wagen, sich mit Euch anzulegen?“
„Aus dir spricht das unwissende Weib!“, entfuhr es Ruthard ungewollt scharf. „Mauern können erklommen, Tore zerschmettert, Soldaten besiegt werden und Diplomatie kann scheitern. Ich trage eine hohe Verantwortung. Der Kaiser wird Rechenschaft von mir verlangen, sollte auch nur einem Juden ein Haar gekrümmt oder Mainz Schaden zugefügt werden. Die Stadt liegt ihm am Herzen und ich bin ihr Herr, zumindest über deren geistlichen Teil“, redeteer sich in Rage.
Die Stimmung drohte zu kippen und Griseldis lenkte die Unterhaltung in unverfänglichere Bahnen. „Verzeiht, das habe ich nicht bedacht. Ihr habt recht: Frauen sollten die Politik den Männern überlassen“, stellte sie mit unschuldigem Augenaufschlag den Bezug zu ihrem letzten Gespräch her.
Ruthards düsterer Gesichtsausdruck verschwand. Griseldis langte nach einem rotwangigen Apfel, und als sie einen Bissen davon nahm, fiel eine Strähne ihres goldblonden Haares in ihr Gesicht. Ihre Augen leuchteten wie Lapislazuli und sie erinnerte ihn in diesem Augenblick an Eva, die personifizierte Verführung des Gartens Eden. Aber sie schaute so unschuldig drein, dass er diesen abstoßenden Gedanken rasch verdrängte.
„Die Äpfel schmecken sehr gut. Ihr solltet unbedingt davon kosten“, sagte sie und reichte ihm einen.
Als er ihn in Empfang nahm, berührte sie ihn mit ihren zarten Fingerspitzen. Ruthard konnte nicht länger widerstehen, er umfasste ihre Hand und hielt sie fest. Sie zog sie nicht zurück und ließ ihn gewähren. Ein angenehm wärmendes Gefühl durchströmte seinen Körper. Er nahm ihr das Obst ab und legte es zurück.
„Ich habe keinen Hunger, zumindest nicht nach Obst. Lass uns nach nebenan gehen“, meinte er und stand auf.
Griseldis zierte sich. Der gefürchtete Augenblick war gekommen. Sie versuchte ihn umzustimmen und meinte zaghaft: „Habt Ihr
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