Das Blut von Magenza
nicht Keuschheit geschworen.“
„Die habe ich nur gelobt. Und falls du ein schlechtes Gewissen haben solltest, erhältst du durch die Beichte Vergebung.“
„Macht Ihr es Euch nicht etwas einfach?“, hauchte sie.
„Maße dir kein Urteil über mich an!“, sagte er mit fester Stimme. „Dir steht es frei zu gehen.“
Griseldis zögerte. Jetzt traf genau das ein, was sie bereits vor ihrem ersten Treffen befürchtet hatte. Lehnte sie ab, sorgte er womöglich dafür, dass sie der Stadt verwiesen wurde und auch nicht an den kaiserlichen Hof zurückkehren konnte. Dann würde sie das Leben einer Ausgestoßenen führen müssen. Ihre Situation war ausweglos und ihr blieb keine andere Wahl. Wollte sie ihr jetziges Leben behalten, musste sie sich seinem Willen fügen.
Ruthard war sich seiner Macht über sie bewusst und hatte sie gezielt eingesetzt. Er beobachtete ihr Mienenspiel, erkannte, dass sie genau abwägte, um sich ihm dann doch zu beugen. Er ging voraus und setzte sich aufs Bett, während sie ihm folgte. Sie schien genauso unsicher wie er, begann aber langsam, ihre Schuhe, Strümpfe und das Gewand auszuziehen. Schließlich stand sie vor ihm, wie Gott sie geschaffen hatte. Ein letztes Mal rang er mit sich, kapitulierte aber, da seine Begierde stärker war.
„Komm her“, seufzte er.
Da er keine Anstalten machte, sich zu entkleiden, übernahm sie das für ihn. Sie tat es äußerst geschickt und wäre Ruthard erfahrener gewesen, hätte er gewusst, dass es nicht ihr erstes Mal war. Als er nackt neben ihr lag, erkundete er ihren Körper, zunächst mit Blicken, dann mit den Händen. Er streichelte ihre Brüste, ihren flachen Bauch, die Hüften und Schenkel und legte sich auf den Rücken in der Erwartung, dass sie ihn liebkoste. Unter jeder ihrer Berührungen zuckte er zusammen, und als sie sein Glied anfasste, kam er, ohne in sie eingedrungen zu sein. Stöhnend bäumte er sich auf und sank dann zurück in die Kissen.
„Gott vergebe mir“, entfuhr es ihm leise.
Griseldis wollte ihm die Wange streicheln, doch er wandte sich ab. Nachdem er sich gesäubert hatte, zog er sich wortlos an. Ihr noch immer den Rücken zuwendend, fragte er: „Willst du die Beichte ablegen?“
Griseldis verneinte. „Was hätte ich zu beichten? Es ist doch nichts geschehen.“
„Dann steh jetzt auf, für mich wird es Zeit zu gehen“, sagte er und verschwand, ohne sich von ihr zu verabschieden.
Nachdem sie angekleidet war, löschte sie die Kerzen, schloss die Tür und streifte zuletzt die Nonnentracht über. Dann wartete sie auf Friedbert, der wenig später mit undurchdringlicher Miene den Raum betrat, um den Korb zu packen. Das Nebenzimmer betrat er nicht, schien aber zu ahnen, was geschehen war.
„Können wir gehen?“, fragte er.
„Ich bin so weit.“
Wolff kam seinem Ziel Stück für Stück näher. Er hatte wieder vor dem Fenster gelauscht, was sich als sehr nützlich erwies. Irgendwann verstummten die Stimmen, aber niemand verließ das Haus. Darum schlich er zum nächsten Fenster, hinter dem Licht brannte. Die Geräusche, die zu ihm hinausdrangen, ließen keinen Zweifel, was dort geschah. Um endgültige Gewissheit zu bekommen, wartete er, bis alle gegangen waren, und verschaffte sich dann Zutritt.
Im Kamin glommen noch Reste der Glut, die ausreichten, um eine Kerze zu entzünden. Sein Erkundungsgang dauerte nur kurz. Viel gab es nicht zu sehen. Aber ein Blick in die Schlafkammer zeigte ihm, dass auf seine Ohren noch immer Verlass war. Das Bettlaken war zerwühlt und die Abdrücke zweier Körper waren erkennbar. Außerdem hingder Geruch des Beischlafs noch in der Luft.
Zufrieden verließ er das Haus und ging gemächlich in die Stadt hinunter. Was er soeben in Erfahrung gebracht hatte, würde ihm viel Geld bescheren. Aus dieser Affäre konnte er genug für einen Neuanfang in Köln herausschlagen. Das ersparte ihm auch die Mühe, das Rätsel um Bruder Anselms Liste zu lüften. Es reichte, wenn er sich ab jetzt voll und ganz auf Griseldis konzentrierte.
Freitag, 4. Januar 1096, 7. Schewat 4856
Unter den Juden
Als Jonah an diesem Morgen erwachte, war er ausgeruht wie lange nicht mehr. Bevor er zu Sara ging, wusch er sich ausgiebig, denn er wollte den letzten Schmutz der Reise loswerden. Danach versorgte er den Hund, der sich in seine neue Umgebung eingefügt und während der Nacht keinen Mucks von sich gegeben hatte. Auch Jonah fühlte sich heimisch und nach Wochen der Entbehrung ließ er sich die Morgenmahlzeit
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