Das Blut von Magenza
Städte des Rheinlandes sein werden.“
„Du sagst selbst, dass es eine Vermutung ist“, wurde er durch einen Zwischenruf unterbrochen.
Doch Jonah ließ sich nicht beirren. „Wollt ihr es darauf ankommen lassen? Ihr ahnt nicht, zu welchen Taten der entfesselte Mob fähig ist. Auf meiner Reise kam ich durch einzelne Landstriche, die zu veröden drohen, weil die Bauern ihre Gehöfte verlassen haben, um sich dem Heer anzuschließen. Frauen und sogar Kinder gehen mit ihnen. Rouen wurde nur von ein paar Hundert überfallen. Aber der Zug wächst mit jeder Meile. Erreicht er die Rheinlande, hat er gewiss eine immense Größe. Die ‚Heiligen Krieger’ sind beseelt von der Vorstellung, dass ihr Kampf ein göttlicher ist. Sie glauben, ihre Handlungen, egal wie grausam und unmenschlich sie auch sein mögen, sind durch ihren Gott abgesegnet und deshalb keine Sünde. Sie fürchten keine Konsequenzen, außer sie würden dem göttlichen Willen nicht entsprechen. Von Eifer erfüllt ziehen sie nach Osten und je weiter sie vordringen, umso blindwütiger werden sie.“
Die Ältesten blickten zwar bestürzt, dennoch beschlich Jonah das Gefühl, gegen eine Wand anzureden. Mit der Verzweiflung eines Rufers in der Wüste sprach er weiter. „Die wahre Gefahr liegt in ihrem Unwissen, denn die Ungebildeten gehorchen blind ihren Anführern und manche von diesen sind selbst nur wenig klüger als ihre Gefolgschaft. Aber darunter gibt es auch Schlaue, die die Massen zuleiten wissen, und unter jenen herrschen die Erbarmungslosen. Das wurde in Rouen offenbar. Ihr Schlachtruf lautete: ‚Rache für Christi Blut‘ und Blut haben sie reichlich und ohne Reue vergossen.“
Jonah wurde wieder von seiner Erinnerung heimgesucht und begann zu zittern. Er konnte nicht weiterreden.
Diese Gelegenheit nutzte der Gelderheber David bar Natanael und ergriff das Wort: „Was denkst du, sollen wir tun?“
„Verlasst die Stadt, verbergt euer Geld.“
„Wo sollen wir hin und welche Verstecke sollen wir wählen?“
Jonah sammelte seine letzten Kräfte. „Legt christliche Kleidung an, so wie ich es auf meinem Weg hierher getan habe. Sucht Verstecke abseits ihrer Route. Vergrabt das Geld an sicheren Stellen. Noch bleibt euch Zeit zum Handeln.“
„Das sagst du so leicht! Wir fänden nie ausreichend Orte, um uns zu verbergen. Juden sind in den größeren Städten geduldet, aber außerhalb dieser Gemeinden nicht gelitten!“ Für diese Äußerung erntete er Zustimmung und fuhr unbeirrt fort. „Außerdem werden sie es nicht wagen, Magenza anzugreifen. Die Stadt ist das wichtigste Handelszentrum nördlich der Alpen und genießt große Privilegien. Der Kaiser höchstpersönlich ist uns wohlgesonnen und hält schützend seine Hand über uns. Ich denke nicht, dass wir euer Schicksal teilen werden.“
„Euer Kaiser sitzt in Italien fest, umzingelt von den Truppen Papst Urbans, und kann euch nicht helfen. Heinrich stellt durch eine Urkunde die Gemeinden Warmaisas und Schpiras unter seinen persönlichen Schutz. Meines Wissens trifft das aber bislang nicht auf Magenza zu. Es könnte also ein Trugschluss sein zu glauben, dass er euch beschützt. Wie zuverlässig der Erzbischof von Mainz ist, müsst ihrselbst beurteilen. Ihr kennt auch die Zahl und Kampfstärke seiner Soldaten. Auf sie müsst ihr euch im Notfall verlassen, da ihr selbst im Umgang mit Waffen nicht sonderlich geübt seid“, insistierte Jonah.
„Du redest von Dingen, von denen du nichts verstehst!“, wies David ihn zurecht. „Was weißt du schon über die Verflechtungen in Mainz. Du lässt außer Acht, dass der Bischof, die Stadtoberen und etliche Bürger immer wieder Kapital brauchen, das sie von uns bekommen - ganz zu schweigen von den Steuern, die wir zahlen. Wenn unsere Gemeinde zugrunde geht, versiegt eine wichtige Geldquelle und das wollen sie bestimmt nicht riskieren.“
„Denkst du das wirklich? Genau dieses Kapital könnte euch auch zum Verhängnis werden. Ich würde mich nicht allein auf Geld als Retter in der Not verlassen. Unterschätzt niemals die menschliche Gier!“
„Du siehst zu schwarz“, wandte sich nun auch Samson bar Jehuda gegen Jonah. „Die Mauern von Mainz sind stark, die Gräben in Schuss und die Tore stabil und gut bewacht. Ich fürchte mich nicht und vertraue ganz auf unseren Schöpfer. Außerdem zähle ich auf den Kaiser, der in all den Jahren seiner Regierungszeit für unser Wohlergehen sorgte. Und noch eins gilt es zu bedenken: Der Weg, den dieser Pilgerzug
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