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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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Aufgabe bestimmt hatten und er mit der Hoffnung nach Magenza gekommen sei, dass die Gemeinde seinem Anliegen die Aufmerksamkeit schenke, die es verdiene. In seiner Rede appellierte er an ihre Vernunft genauso wie an ihre Gefühle. „Lasst mich zuvor erwähnen, dass wir französischen Juden es seit jeher schwerer haben als unsere Brüder in eurem Land. Nachdem der Christenpapst diese bewaffnete Pilgerfahrt ausgerufen hatte, verschlimmerte sich die Situation für uns und begann, immer erdrückender zu werden. Die Anfeindungen nahmen zu und wir zogen uns immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Überall im Land versammelten sich Truppen um selbst ernannte Anführer. Anfangs verfügten sie noch über ausreichend Nahrung undGeld, doch beides ging ihnen bald aus und sie begannen zu hungern. Und der Hunger machte sie unberechenbar. Anstatt den direkten Weg ins Heilige Land zu nehmen, ziehen sie nun mehr planlos als zielgerichtet umher. Sie plündern Bauernhöfe, lagern vor Städten und erpressen Geld – vornehmlich von uns Juden. Genauso geschah es auch in Rouen. Anfänglich konnten wir sie tatsächlich mit einer gewissen Summe beruhigen. Doch von einer Stunde zur anderen schlug die Stimmung um und ein Sinneswandel trat ein. Plötzlich waren wir für sie die Christusmörder, was uns in ihren Augen zu den Verbündeten des Antichristen macht. Rädelsführer begannen die Menge aufzuwiegeln und leiteten für sich das Recht ab, uns zu bekehren. Deshalb forderten sie, dass wir uns zum einzig wahren Glauben durch die Taufe bekennen müssten. Wer sich weigerte oder nicht freikaufen konnte, wurde erschlagen oder bei lebendigem Leibe aufgeschlitzt und krepierte elendiglich. Dabei machten sie weder vor Kindern noch Greisen oder Schwangeren halt. Denn zuerst wollen sie den heimischen Boden von den Juden säubern, bevor sie die Heiligen Stätten befreien.“
    Jonah legte eine kurze Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen. Die Stille im Raum war erdrückend; auch von draußen drang kein Laut herein.
    Schließlich meldete sich eines der Ratsmitglieder zu Wort. „Aber es sind doch die Seldschuken, die ihre Stätten zerstören und nicht die Juden. Und Jerusalem ist für uns genauso heilig wie für sie! Haben sie das etwa vergessen?“, empörte er sich.
    „Viele der Kämpfer sind ungebildet und unwissend und denjenigen, die es besser wissen, ist es gleich. Sie sind von der gemeinsamen Idee besessen, in ihren Himmel zugelangen, wenn sie nur genügend Antichristen töten. Auch verstehen sie nicht, warum wir Jesus Christus nicht als Messias und Sohn Adonais anerkennen, noch weshalb wir in der Taufe einen Akt der Beschmutzung sehen.“
    „Das ist unser religiöses Recht!“, warf der Älteste ein. „Unsere Religion ist die ursprünglichere!“
    Jonah ging nicht näher darauf ein, dieser Disput war so alt wie das Christentum selbst. Er führte stattdessen ein weiteres Argument an, das bei den Pilgern für erheblichen Unmut sorgte und sie noch mehr gegen die Juden aufbrachte. „Angeblich gibt es einige jüdische Schriften, die Jesus als ‚gehängten Bastard‘ bezeichnen.“
    „Ich kenne solche Abhandlungen nicht! Das ist eine Unterstellung!“, ereiferte sich ein anderer.
    „Sie existieren aber tatsächlich! Ich habe davon gehört“, bestätigte Kalonymos. „Auf ihrer wie auf unserer Seite gibt es Fanatiker, die jedwedes Maß verloren haben. Diese Pamphlete schaden unserer Beziehung zu den Christen. Zwar geben sie nur die Meinung Einzelner wieder, doch in Situationen wie der jetzigen wissen geschickte Führer sie als die eines ganzen Volkes darzustellen. Da hilft es auch nicht, wenn wir mit aller Vehemenz widersprechen.“
    „Könnte es nicht auch daran liegen, dass die Christen unsere Art zu leben nicht verstehen und uns deshalb als unheimlich empfinden? Es liegt doch in der menschlichen Natur, dass man dem Unbekannten mit Skepsis begegnet. Aber die Bürger Magenzas kennen uns, sie wissen, wozu wir fähig sind und wozu nicht. Seit Jahren leben wir in Frieden miteinander und haben gelernt, uns zu respektieren“, äußerte sich der Älteste wieder.
    „Eure Einwürfe mögen berechtigt sein, aber sie gehen an den Tatsachen vorbei. In Mainz seid ihr geduldet und Teilder Bürgerschaft – wenn auch mit Einschränkungen. Der wahre Feind kommt aber von außen“, mahnte Jonah. „Ich kam deshalb hierher, um euch mit aller Eindringlichkeit vor dieser Gefahr zu warnen. Unsere Ältesten vermuten, dass das Ziel der Wallfahrer die

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