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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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zurücklegt, ist lang. Bis sie hierher gelangen, werden sie geschwächt sein. Ihr Angriff wird dementsprechend verhalten ausfallen.“
    Jonah schüttelte erschöpft den Kopf. „Ihr habt die wütende Menge nicht erlebt. Sie überwindet Mauern und Tore. Und da die Ärmsten der Armen kämpfen, haben sie nichts zu verlieren außer ihrem Leben und fürchten deshalb – um es mit den Worten der Christen auszudrücken – weder Tod noch Teufel“, bäumte er sich ein letztes Mal auf.
    Er spürte, dass er die Ältesten nicht auf seine Seite hatte ziehen können und seine Warnung ungehört verhallte. Möglich, dass einige seine Befürchtungen teilten, die Mehrheit aber fühlte sich in Magenza einfach zu sicher. Wenn es jetzt zur Abstimmung käme, würden sie gegen seinen Vorschlag stimmen.
    Auch Kalonymos erkannte, dass sie an einem Punkt angelangt waren, an dem es nicht weiterging. Heute würden sie kein Ergebnis mehr erzielen, deshalb beendete er den Disput. „Jonah, wir danken dir für deine ausführliche Schilderung und deine klare Einschätzung. Da der Sabbat bald beginnt, werden wir übermorgen abstimmen. Bis dahin nutzen wir die Stunden, um in uns zu gehen und das Für und Wider abzuwägen“, sagte er und beendete die Versammlung.
    Jonah verließ gesenkten Hauptes die Synagoge, um zu Sara zu gehen. Er war resigniert und verspürte keine rechte Lust, den Abend ausgerechnet mit jenem Mann zu verbringen, der sich soeben als sein größter Widersacher entpuppt hatte.
    Anwesen des Emich von Flonheim
    Emich erwachte aus seinem totenähnlichen Schlaf. Seine Glieder fühlten sich steif an und er konnte sich kaum bewegen. Er hob den Kopf und erblickte seinen Diener Albrecht, von dem er mit krächzender Stimme Wasser verlangte. Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, eilte dieser in die Küche, um für seinen Herrn etwas zu essen zu holen und kehrte mit einer Suppe zurück.
    „Ich will das nicht“, wehrte er ab.
    „Ihr habt drei Tage keine Nahrung mehr zu Euchgenommen. Ihr müsst etwas essen.“
    „Was sagst du da? Drei Tage? Das glaube ich dir nicht!“
    „Es ist aber wahr. So lange liegt Ihr schon im Bett, aber geschlafen habt Ihr nicht. Ihr befandet Euch in einer Art Dämmerzustand, in dem Ihr immer wieder dieselben Worte gemurmelt habt.“
    „Was habe ich denn gesagt?“
    „Das erfahrt Ihr erst, wenn Ihr etwas gegessen habt“, meinte Albrecht trotzig.
    Emich war erbost über dieses ungebührliche Verhalten und wollte aufspringen, um seinen Diener zu züchtigen. Aber er kam gar nicht erst auf seine Beine, sondern fiel zurück auf sein Lager. Albrecht warf ihm einen triumphierenden Blick zu und hielt ihm wortlos die Suppenschale hin, die sein Herr verstimmt und mit zittrigen Händen entgegennahm.
    „Jetzt aber heraus damit! Was waren meine Worte?“, forderte er streng, nachdem er das Gefäß geleert hatte.
    „Deus lo vult!“
    „Der Schlachtruf der Pilgerfahrt! Der Herr will, dass ich mich daran beteilige!“, rief Emich aufgeregt. Auf seinen bleichen Wangen zeichnete sich ein Hauch Farbe ab und seine Augen bekamen einen fiebrigen Glanz. „Aber warum träume ich dann immerzu von der Kaiserkrone?“
    Der Diener überlegte kurz und kam zu einem völlig überraschenden Schluss. „Könnte sie Euer Lohn für die Teilnahme sein?“
    „Denkst du, dass ich Kaiser werde, wenn es mir gelingt, Jerusalem zu befreien? Ich kann das nicht glauben. Dazu mangelt es mir an Fürsprechern und ich bin nicht einflussreich genug. So erringt man keine Krone.“
    „Ein Traum ist zwar nur ein Traum, aber manchmal geht er in Erfüllung und auch Jesus war nur der Sohn einesZimmermanns“, gab Albrecht in seiner geradlinigen Denkweise zu bedenken.
    „Da du anscheinend um Erklärungen nicht verlegen bist, weißt du vielleicht auch, was es mit der Erscheinung des Erzengels auf sich hat?“, fragte er und schilderte ihm ausgiebig seine andere Vision.
    „Das kann doch eigentlich nur der Erzengel Michael sein, der den Satan aus dem Himmel vertrieb“, meinte Albrecht spontan.
    Emich starrte ihn sprachlos an. Da mühte er sich seit Wochen, Antworten zu finden, betete stundenlang und kniete dabei auf steinhartem Boden, um seiner Demut Ausdruck zu verleihen, und dem unbelesenen Albrecht kam die Erklärung so einfach über die Lippen.
    „Geht es Euch gut?“, vergewisserte sich der Diener.
    „Mir ging es nie besser. Deine Schlussfolgerung klingt für mich durchaus überzeugend.“
    Albrecht verstand nicht so recht, worauf Emich hinauswollte.

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