Das Blut von Magenza
du wenigstens einen Becher Wein?“
„Nein, danke, er ist nicht koscher.“
„Daran habe ich nicht gedacht. Willst du Wasser?“
Wieder verneinte sie.
„Der Eintopf schmeckt sehr gut“, stellte er nach dem erstenBissen fest.
„Er besteht aus Lamm und verschiedenen Gemüsen.“
Nachdem der größste Hunger gestillt war, fragte er sie erneut: „Also, weshalb bist du gekommen?“
Es war Sara anzumerken, dass sie sich schwertat. Verlegen fixierte sie einen Punkt neben seinem Kopf, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen. Dieser Gang fiel ihr nicht leicht. Sie wollte ihn gleich um seine Hilfe zu bitten, und zwar ohne vorher die Einwilligung des Gemeindevorstands eingeholt zu haben. Ihre eigenwilliges Handeln kam dabei fast einem Gesetzesbruch gleich. Dennoch war sie bereit, dieses Risiko samt Konsequenzen auf sich zu nehmen, denn es ging um das Leben ihrer Mutter, ihres Bruders, das ihres ungeborenen Kindes und um ihr eigenes.
Jonah war es gewesen, der sie zu diesem Schritt ermutigt hatte. Hätte er ihr gestern Abend nicht ins Gewissen geredet, wäre sie noch immer unwissend und säße nun nicht hier. Er offenbarte ihr, warum er tatsächlich nach Magenza gekommen war. Sie hatte ihm erst nicht glauben wollen, aber er versicherte ihr, dass sich alles genauso zugetragen hatte. Sara war entsetzt gewesen, aber nicht ausreichend genug, sein Angebot anzunehmen, mit ihm nach Frankreich zu flüchten. Sie lehnte nicht nur wegen ihrer Schwangerschaft ab, sondern vor allem wegen ihrer Mutter Rachel, die noch nicht ausreichend bei Kräften war, um eine solch anstrengende Reise zu überstehen.
Heute Morgen hatte Jonah seine Warnung bekräftigt und ihr klarzumachen versucht, wie groß die Gefahr war. „Sara, wenn ihr schon nicht mit mir kommen wollt, dann bitte wenigstens deinen Nachbarn, diesen Steinmetz, um Hilfe. Ihm seid ihr nicht gleichgültig und er wird sich für euch einsetzen. Auch ich habe nur überlebt, weil ein Christ michrettete. Widukind scheint mir hilfsbereit zu sein. Nimm diese Gelegenheit wahr, wenn dir euer Leben lieb ist.“
Sara hatte ihm versprochen, seinen Rat zu befolgen, aber den ganzen Tag gegrübelt, ob sie auch das Richtige tat. Nun saß sie Widukind gegenüber und suchte nach den passenden Worten. „Jonah hat Mainz verlassen!“, begann sie zögerlich.
„Schon?“, wunderte er sich.
„Ja, sein Aufenthalt war für ihn mehr als enttäuschend. Er brachte schlimme Nachrichten aus Frankreich und sollte unsere Gemeinde warnen“, fuhr sie fort.
Widukind ließ den Löffel sinken. „Demnach stimmen die Gerüchte?“
„Ja, und es ist auch wahr, dass seine Warnung nicht ernst genommen wurde. Mich konnte er aber überzeugen und deshalb bin ich hier. Es fällt mir nicht leicht, dich darum zu bitten. Du gehörst nicht zu meinem Volk und wir kennen uns kaum, aber Jonah meint, du könntest uns in der Stunde der Not beistehen. Er denkt, dass nur die Christen uns vor den Christen beschützen können.“
Widukind legte den Löffel nun ganz aus der Hand. Ihm war der Appetit vergangen. In Saras Augen lag solche Furcht, dass er ihrem Blick kaum standhielt. Er stand auf, um Holz nachzulegen. Sie sollte nicht sehen, wie sehr ihn diese Nachricht erschütterte. Bald würde sie Mutter werden, was ihre Situation nicht gerade leichter machte. Sie würde jede Unterstützung brauchen und er war gern bereit, ihr zu helfen.
Einigermaßen gefasst setzte er sich wieder. Aber es schmerzte ihn jetzt noch mehr, sie anzuschauen und zu wissen, dass sie die Frau eines anderen war. Bereits bei ihrer ersten Begegnung fühlte er sich zu ihr hingezogen, ohnedass sie es ahnte. Dabei war Sara nicht wirklich schön, dafür besaß sie aber eine Ausstrahlung wie kaum eine andere. Doch selbst wenn sie nicht verheiratet gewesen wäre, hätte es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben können. Dazu waren ihre Welten zu strikt getrennt. Er hatte ihr seine Zuneigung nie gezeigt und hoffte, sie würde sie auch nie erraten.
„Nun, Widukind, hast du dich entschieden? Wirst du mir, Mutter und Isaac beistehen?“
„Sara, ihr könnt euch auf mich verlassen“, versicherte er.
Sie atmete erleichtert auf. „Ich danke dir. Es ist gut, dich als Nachbarn zu haben. Aber nun muss ich nach Hause“, meinte sie und wollte gehen.
Doch Widukind hielt sie zurück. „Du bist hier stets willkommen“, sagte er feierlich.
„Das weiß ich zu schätzen“, bedankte sie sich und stand auf.
„Verzeih mir meine Neugier, aber ich habe
Weitere Kostenlose Bücher