Das Blut von Magenza
noch eine Frage. Vorhin sah ich wie Cathrein, die Frau von Lorentz, dich besuchte. Wie ich hörte, soll er krank sein. Verrätst du mir, was sie von dir wollte?“
„Dass Lorentz krank ist, stimmt und deshalb kann er nicht arbeiten. Sie bat mich vor einiger Zeit um ein Darlehen, das ich ihr auch gewährt habe. Heute Abend gab es noch kurz etwas zu besprechen.“
„Du gewährst Kredite?“, staunte Widukind.
Sara lachte auf. „Wunderst du dich so, weil ich eine Frau bin? Sowohl mein Vater als auch mein Ehemann erteilten mir die Erlaubnis, während ihrer Abwesenheit in ihrem Namen Geschäfte abzuschließen. Meine Unterschrift gilt als Siegel.“
„Ich bin deshalb erstaunt, weil ich dachte, der Handel mitnicht koscherem Wein sei den Juden verboten.“
„Das ist richtig. Wie kann ich dir das am besten verständlich machen?“, sagte sie mehr zu sich selbst. „Lass es mich so erklären: Dieses Weingeschäft ist im jüdischen Sinne eigentlich kein Handel“, entgegnete sie. „Ich gebe Lorentz und Cathrein Geld, damit sie weiterhin die Weinberge bestellen können, und sie zahlen mir die Zinsen in Form von Wein zurück. Der Wein dient also der Schuldentilgung und ist im eigentlichen Sinne kein Handelsgut“, bemerkte sie verschmitzt.
Nun musste Widukind schmunzeln. „Da nutzst du geschickt ein Schlupfloch in eurem Gesetz.“
„Damit bin ich nicht die Einzige. Alles ist eben eine Sache der Auslegung. Und nun muss ich wirklich gehen“, sagte sie und verließ das Haus.
Widukind blieb ratlos zurück. Er fürchtete, sein Versprechen voreilig gegeben zu haben, denn noch wusste er nicht, wie er seine Nachbarn beschützen konnte. Allein würde er es jedenfalls nicht schaffen, dafür mangelte es ihm an Möglichkeiten. Er brauchte einen Verbündeten, dem er blind vertraute und der über ausreichend Einfluss verfügte.
In der Schenke Zum Schwanen
Wolff saß in der düstersten Ecke des Schankraums und betrachtete in üblicher Manier die übrigen Gäste. Von seinem Platz aus konnte er alles gut überschauen, ohne selbst zu großes Interesse auf sich zu ziehen. Da er mit einer hübschen Summe rechnete, hatte er sich zur Feier des Tages einen Krug Wein und eine Fleischmahlzeit gegönnt. Beides befand sich inzwischen in seinem Magen und er begann allmählich unruhig zu werden. Der verabredeteZeitpunkt war längst überschritten und von Griseldis weit und breit nichts zu sehen. Jedes Mal wenn sich die Tür öffnete, schaute er nervös auf in der Hoffnung, sie käme endlich herein.
Er holte sich einen neuen Krug Wein und setzte sich wieder. Die Gaststube füllte sich zusehends und er musste den freien Platz neben sich mit aller Macht verteidigen. Die Luft war inzwischen zum Schneiden dick und der Lärm so laut, dass sein Kopf zu dröhnen begann. Wolff schwor sich, nach diesem Krug zu gehen, sollte sie bis dahin nicht erschienen sein. Doch wenn sie glaubte, er ließe sich so einfach abschütteln, irrte sie sich. Ihr Ausbleiben trieb nur den Preis in die Höhe.
Wolff kippte gerade die letzten Schlucke hinunter, als sich ein schmächtiger Kerl neben ihn zwängte. Er trug einen großen Hut, der seine Haare ganz und sein Gesicht halb verdeckte. Seine Wangen waren schmutzig und es schienen ihm einige Zähne zu fehlen. Auch seine Kleidung hatte bessere Tage gesehen. Die Ärmel seines verdreckten Hemdes waren so lang, dass sie ihm bis über die Hände fielen. Allerdings stank er deutlich weniger, als man es bei seiner Erscheinung hätte vermuten können. Dennoch wollte Wolff ihn nicht neben sich dulden, zumal er ihm beim Hinsetzen den Ellenbogen in die Rippen gestoßen hatte und sich noch nicht einmal dafür entschuldigte.
Wolff lallte mit weinschwerer Zunge: „Der Plazz is besess, mach dich fooord!“
„Das glaube ich nicht. Gib mir lieber einen Wein aus“, flüsterte der andere heiser.
„Du hass wohl nich mehr alle beisamm? Ich schpendier doch nich jeem Rumdreiber was su tringn. Scher dich enlich weg“, meinte er und ballte seine Hände drohend zuFäusten.
„Nun, wenn du dein Geld nicht willst, kann ich ja gehen“, ertönte ein helles Lachen, das so gar nicht zu einem Mann passte.
Wolff musterte seinen Tischnachbarn nun genauer. Der Fremde hob den Kopf leicht an und schob den Hut etwas weiter in den Nacken, aber gerade so viel, dass Wolff einen kurzen Blick auf das ganze Gesicht erhaschen konnte. Erst als er in die Augen sah, erkannte er, wen er vor sich hatte. „He, deine Verkleidung iss esch guud. Ich hab disch
Weitere Kostenlose Bücher