Das Blut von Magenza
sich ein gemeinsames Leben mit ihr vorstellen konnte. Dabei war er sich bewusst, dass sie unter normalen Umständen niemals seine Frau werden würde. Das verhinderte allein schon ihre unterschiedliche Herkunft. Und selbst wenn Graf Bolkodieser Verbindung doch seinen Segen erteilen sollte, gab es immer noch den Kämmerer, der ihm gewiss die Zustimmung verweigern würde.
Aber Hanno ließ sich nie schnell von seinen Vorhaben abbringen. Er liebte Herausforderungen und Yrmengardis war eine besonders verlockende. Da die Umstände gegen ihn sprachen, musste er sie eben ändern und er befand sich bereits auf dem besten Weg dazu. Seit er seine Erinnerung wiedererlangt hatte, suchte er nach Möglichkeiten, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, und war sich sicher, dass ihm das auch gelingen könnte. Er musste es nur geschickt anstellen und zum richtigen Zeitpunkt zugreifen.
Noch vor seiner Abreise hatte er herausgefunden, welches Geheimnis Griseldis umgab. Sie hatte nicht nur eine Affäre mit dem Erzbischof, sondern unterhielt auch eine Beziehung zum Stadtgrafen, was – wie Hanno fand – der ganzen Angelegenheit eine pikante Würze verlieh. Und um die Verwirrung komplett zu machen, schien sie tatsächlich Dithmar ehelichen zu wollen, der von ihrem Treiben allerdings keine Ahnung hatte. Noch konnte Bertolf das verhindern, was wiederum das Verhältnis zwischen Vater und Sohn belastete. Griseldis passte das ganz und gar nicht und sie gab es nicht auf, den Tuchmachersohn weiter zu umgarnen.
Einem schamloseren Weib war Hanno noch nie begegnet. Was sie mit Dithmar tat, war ihm gleichgültig. Wenn er sich zum Trottel machen wollte, war das seine Sache. Anders war es dagegen mit dem Erzbischof und dem Stadtgrafen. Sie hatten einen Ruf, ihre Würde und ein Amt zu verlieren. Griseldis‘ Verbindung zu den beiden schien überaus intim zu sein, was ihr die Möglichkeit der Einflussnahme verschaffte. Hanno fragte sich, ob und wiesie davon Gebrauch machte. Am meisten wunderte er sich darüber, dass keiner in der Stadt etwas ahnte, selbst der Kämmerer wusste nichts von diesen Affären.
Im Gegenteil, Griseldis hatte sich gut eingelebt und war inzwischen eine vollwertige Bürgerin. Die anfängliche Skepsis, die ihr in Mainz wegen ihres Lebensstils entgegengebracht worden war, hatte sich weitgehend gelegt. Außer Meister Bertolf und ein paar Frauen wie Herlinde störte sich kaum jemand daran. Aber Hanno ließ sich nicht täuschen. Die Affären mit Ruthard und Gerhard waren eine Sache, ihre Geheimnistuerei eine andere. Hanno vermutete, dass mehr dahintersteckte und sie bestimmte Absichten verfolgte. Jetzt, wo er wieder in der Stadt war, hatte er die Zeit, das herauszufinden. Er war gestern mitten in der Nacht zurückgekommen und hatte den Kämmerer nicht mehr sprechen können, das holte er heute Morgen nach.
„Habt ihr etwas erreicht?“, erkundigte sich sein Herr sorgenvoll.
„Die Fürsten halten sich bedeckt. Keiner gab uns die feste Zusage, im Belagerungsfall der Stadt beizustehen. Sie machen es von den Umständen abhängig und inwieweit sie selbst betroffen sind.“
„Gibt es sonstige Neuigkeiten?“
„Ja, aber keine erfreulichen. Das Kreuzfahrerheer wächst beständig. Zwar sind die Truppen des Walter ohne Habe und des Peter von Amiens bereits nach Osten weitergezogen und haben das Reich verlassen, aber ein Großteil der Kreuzfahrer hält sich noch im Rheinland auf. Und wo sie sich befinden, verbreiten sie Chaos und Schrecken. Vor allem Emich von Flonheim stiftet Unruhe. Er ist ein Mann, den man nicht unterschätzen sollte.“
„Ich weiß praktisch nichts über ihn“, äußerte der Kämmerer nachdenklich.
„Das könnte sich rasch ändern. Ich fürchte, er wird bald in aller Munde sein! Denn er gilt als hart, unnachgiebig und zielstrebig und plant angeblich, den Rhein hinaufzuziehen“, meinte Hanno bekümmert.
„Gut, dass der Erzbischof bereits Vorkehrungen zur Sicherung der Stadt trifft. Er tut es weitestgehend im Geheimen, um die Bürger nicht zu beunruhigen. Behalte es also für dich“, ermahnte ihn der Kämmerer.
Hanno dachte sofort an die Landbevölkerung. Ihre Dörfer waren weitgehend unbefestigt und den Kreuzfahrern schutzlos ausgeliefert. Die Battenheimer und die Bewohner der Nakheimer Mark sowie etliche weitere Orte mussten gewarnt werden. Laut Mauerverordnung hatten diejenigen, die sich an ihrer Instandhaltung beteiligten, das Recht, sich nach Mainz zu flüchten.
„Was geschieht mit den Menschen auf
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