Das Blut von Magenza
verlangte sie auch von jedem in seiner Umgebung. Nicht jeder Pilger wollte sich dieser Zucht unterwerfen und manch einer hatte sich schon davon gestohlen. Aber er duldete keine Abtrünnigen und ließ die Flüchtigen einfangen und hart bestrafen. Albrecht verfluchte inzwischen diesen Kreuzzug, der ihnen bisher nichts Gutes beschert hatte. Welches Unheil würde er wohl noch mit sich bringen?
Mainz, Große Scheffergasse
Dithmar hatte allen Mut zusammennehmen müssen, um Griseldis zu sagen, was er über sie erfahren hatte. Er fürchtete, sie könnte anfangen zu streiten, aber sie gab einfach alles unumwunden zu. „Es stimmt, dass ich eigentlich Waise bin. Doch habe ich das längst vergessen, denn meine Zieheltern sind für mich wie richtige Eltern. Deshalb habe ich es auch nicht erwähnt.“
„Und was ist mit diesem Bruder, der nicht existiert?“, beharrte Dithmar.
Griseldis seufzte. „Versetze dich doch in meine Lage. Ich bin eine junge, alleinstehende Frau, die in einer Stadt einneues Leben beginnen will. Es war eine kleine Notlüge, damit ich hier akzeptiert wurde. Wenn jeder von vornherein gewusst hätte, dass ich alleine lebe, hätte ich nicht bleiben können“, meinte sie und redete unbeirrt weiter. „Gerhard weiß davon und dir hätte ich es auch gesagt, wenn du mich gefragt hättest. Ich dachte, das sei dir nicht wichtig. Aber jetzt frage ich dich: Woher nimmt dein Vater das Recht, Erkundigungen über mich einzuziehen?“, ging sie in die Offensive.
Dithmar versuchte, sie zu besänftigen. „Ich wollte ihn davon abbringen, aber er ist eigensinnig. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, tut er es auch.“
„Es zeugt nicht gerade von Stärke, wenn du dich ihm gegenüber nicht behaupten kannst“, stellte sie fest und berührte seinen wunden Punkt.
„Das weiß ich auch. Aber ich muss Rücksicht nehmen. Ihm gehört das Geschäft, und wenn ich meine Existenz nicht verlieren will, muss ich ihm gehorchen. Ich weiß, dass er zu weit gegangen ist, und das habe ich ihm auch gesagt. Er hat deine Gefühle verletzt und dafür entschuldige ich mich. Aber möglicherweise sind seine Zweifel auch angebracht“, fügte er leise hinzu.
Sie kniff ihre Lippen zusammen und kleine Fältchen zeichneten sich ab, die er nie zuvor gesehen hatte. Nach einer kurzen Pause fand sie ihre Sprache wieder. „Wie darf ich das verstehen?“
„Man erzählt in der Stadt, dass ein einflussreicher Mann eindeutiges Interesse an dir zeigt.“
„So, so, das sagt man über mich. Und glaubst du diesem Gerede?“, tat sie betont desinteressiert, versuchte aber gleichzeitig, ihre Betroffenheit zu verbergen. Dass diese Gerüchte über sie kursierten, ärgerte sie. Wenn Rutharddavon erführe, hätte das womöglich Konsequenzen für sie, über die sie lieber nicht nachdenken wollte.
Dithmar wich ihrem Blick aus. „Nein“, sagte er zögernd.
„Du bist ein schlechter Lügner“, stellte sie ihn bloß. „Ich kann dir versichern, dass die einzige Beziehung, die ich zu einem Mann habe, die mit dir ist – obwohl von ‚Beziehung‘ zu sprechen, mir übertrieben scheint.“
„Versteh mich doch. Du hast etliche Verabredungen einfach abgesagt. Außerdem war ich einige Male hier und du warst nicht da. Da könnte man dem Gerede beinah glauben.“
„Ich versichere dir nochmals, dass es außer dir keinen anderen Mann gibt!“, schwor sie ihm.
Dithmar wurde unsicher. „Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste. Aber ich bin mir sicher, dass mein Vater mit deinen Erklärungen zufrieden sein wird und wir bald verlobt sind“, versprach er ihr.
„Dann meinst du es also wirklich ernst?“, strahlte sie.
„Ja. Aber nun muss ich gehen.“
Kaum war Dithmar fort, rief Griseldis Margreth zu sich. „Kennst du das Gerücht über mich?“
„Welches Gerücht?“, fragte sie lauernd.
„Dass ich die Geliebte eines einflussreichen Mannes sein soll.“
Margreth lief rot an. Sie ahnte, worauf ihre Herrin abzielte. „Ja, aber ich habe es nicht in die Welt gesetzt. Meine Lippen waren und sind noch immer versiegelt! Früher oder später hat es so kommen müssen. Ihr zieht eben die Aufmerksamkeit auf Euch. Und da ist es nicht verwunderlich, dass über Euch geredet wird. Ist denn bekannt, wer Euer angeblicher Geliebter sein soll?“
„Ich denke nicht, aber allein, dass mir eine Affäreangedichtet wird, schadet mir.“
„Ihr werdet sehen, bald ist alles vergessen. Denn nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, und die Schandmäuler
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