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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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glaube, dass alles einen Sinn hat. Auch dein Überleben. Der Herr wollte es so“, wagte der Alte ihm zu entgegnen.
    Ariel lachte bitter auf. „Ich kann keinen Sinn darin erkennen und nun lasst mich in Ruhe“, verlangte er.
    Er schritt die Reihen der Toten ab, um nach seiner Familie zu suchen, und stieß dabei immer wieder auf vertraute Gesichter. Aber er fand keinen seiner Liebsten. Selbst das Abschiednehmen blieb ihm verwehrt. Er verließ diesen trostlosen Ort und irrte ziellos umher. Als es dämmerte, brach er erschöpft vor einer Kirche zusammen, wo ihnwenig später der Pfarrer entdeckte und ihm für diese Nacht Obdach gewährte.
    Auf freiem Feld im Gebiet des Mittelrheins
    Kaum waren die Krieger erwacht, erhoben sie sich von ihren Lagern. Sie klopften den Staub aus ihren Kleidern und löschten die glimmende Glut der Feuer. Wer eine Decke besaß, schnürte sie, und wer im Besitz einer Waffe war, ergriff sie. Dann versammelten sie sich, um gemeinsam mit den Heerführern und den Priestern wie jeden Morgen ihr Gebet zu sprechen.
    Das „Amen“ war noch nicht verklungen, als Emich, der Herr von Leiningen, den Befehl zum Aufbruch erteilte. „Es ist Zeit, dass wir nach Mainz ziehen“, sagte er zu seinem Hauptmann. „Vor uns liegen nur noch wenige Tage Fußmarsch. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, können wir Gottes Werk vollenden. Dann ernten wir endlich den Lohn für unsere Mühen!“, meinte er mit unverhohlenem Pathos und schwang sich auf sein Pferd.
    Sein Standartenführer, der neben ihm stand, hielt die Reiterfahne der Leininger hoch. Jeder sollte sehen, wer dieses Heer anführte. Emich bot in seinem Panzerhemd, das er über seiner leuchtend roten Tunika trug, mit dem Schwert und dem frisch polierten Schild ein Respekt einflößendes Bild und genoss jeden Tag aufs Neue die Bewunderung, die ihm entgegenschlug.
    Bevor der Zug sich endgültig in Bewegung setzte, betrachtete er mit stolzgeschwellter Brust sein Gefolge. Allein die Größe des Heeres vermittelte das Gefühl absoluter Unbezwingbarkeit. Einem Lindwurm gleich kroch der Tross, bestehend aus unzähligen Pilgern, Verpflegungswagensowie einigen Reitern, unaufhaltsam den Rhein hinauf und würde bald sein Ziel erreichen.
    Noch vor wenigen Wochen hatte er gefürchtet, sein Vorhaben könnte misslingen. Kaum ein Edelmann war bereit gewesen, sich ihm anzuschließen. Selbst als er mit Engelszungen auf sie einredete, schenkten sie ihm kein Gehör. Erst als er Teile seines Besitzes verpfändete, um davon Pferde, Waffen und Wagen für die Nahrungsvorräte zu kaufen, ließen sie sich umstimmen. Ganz war seine Kalkulation nicht aufgegangen, denn er hatte nicht erwartet, dass der Proviant knapp werden könnte und die meisten Wagen leer blieben. Doch störte sich bis jetzt kaum einer daran, noch folgten sie ihm und akzeptierten ihn als ihren Anführer.
    Inzwischen hatten sich auch Truppen aus Teilen des Rheinlandes hinzugesellt, ebenso wie Kämpfer aus dem Osten Frankreichs, aus Lothringen und Flandern. Sie alle bildeten eine gigantische Streitmacht mit gemeinsamem Ziel, wenn auch unterschiedlicher Motivation. Die Ritter versprachen sich Ruhm in glorreichen Schlachten, die jüngeren Söhne der Adelsgeschlechter Anerkennung und die Bauern das Ende ihrer Leibeigenschaft. Auch einige Verbrecher zählten zum Heer, die hofften, durch diesen Heiligen Krieg dem Richter und somit ihrer Strafe zu entkommen.
    Vicomte Wilhelm von Melun, kurz „der Sargtischler“ genannt, erwies sich Emich als immense Stütze, denn er stellte seine Verbindung zur Gruppe der Franzosen dar. Sein Name allein genügte, um Furcht beim Gegner auszulösen und die eigenen Truppen zum Gehorsam anzuhalten. Weitere Anführer waren Drogo von Nestle, Hartmann von Dillingen und der Herr von Salm. Sie fünf bestimmten gemeinsam die Marschrichtung, wobei Emich meist das entscheidende Wort hatte.
    Er war so von sich eingenommen, dass er überhaupt nicht in Erwägung zog, jemand könne seine Entscheidungen anzweifeln. Hätte er aber geahnt, was sein Diener wirklich über ihn dachte, hätte er ihn auf der Stelle getötet. Albrecht hieß seine Handlungen längst nicht mehr gut, denn sein ehemals stolzer Herr verwandelte sich immer mehr zum streitbaren Despoten. Er litt zunehmend unter Versagensangst, auch wenn er dies gut vor den anderen verbarg. Aber Albrecht kannte ihn gut genug und wusste, was wirklich hinter seinen Wutausbrüchen steckte. Emich versuchte diese Angst durch harte Disziplin zu übergehen und

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