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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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den Juden: „Taufe oder Tod!“ Besonders wild trieben es ihre Anführer, die die Menge stetig anfeuerten. Dieser Eifer übertrug sich auch auf viele Bürger von Worms und sie machten mit ihnen gemeinsame Sache. “
    „Das kann ich nicht glauben!“, bemerkte Ruthard erschüttert.
    „Das ist auch schwer möglich. Aber die Forderungen der Kreuzfahrer fielen auf fruchtbaren Boden, denn es gibt eine Vorgeschichte, die die Vorurteile unter den Bürgern gegen die Juden schürte. Es kursierte ein Gerücht, das ich zwar nicht bestätigen kann, das aber behauptet, die Juden hätten den Leichnam einer jungen Frau gekocht und beabsichtigt, mit diesem Sud die Brunnen der Stadt zu vergiften. So sollten möglichst viele Christen getötet werden. Weiterhin wurde behauptet, dass einige Bürger die Leiche als Beweis durch die Straßen getragen haben sollen. Aber wie gesagt, ich kann nicht versichern, dass dies der Wahrheit entspricht.“
    „Das ist gewiss erlogen!“, empörte sich der Erzbischof. „So etwas wäre doch wider jede Vernunft! Die Juden trinken das Wasser aus denselben Brunnen wie die Christen und würden sich doch nur selbst schaden.“
    „Ein Beweis fehlt, wie gesagt, gänzlich. Aber Ihr wisst doch, wie oft der Unvernunft über den Verstand siegt. Letztendlich ist es auch gleichgültig, denn die Unruhestifter erreichten, was sie wollten. Die antijüdische Stimmung griff immer mehr um sich, und was dann geschah, wisst Ihr bereits.“
    Ruthard lief unruhig auf und ab und dachte laut dabei nach. „Ob der Papst im Entferntesten ahnte, was er mit seiner Ausrufung zur bewaffneten Pilgerfahrt auslösen würde? Sicher rechnete er nicht damit, dass die besonders Eifrigen noch vor dem eigentlichen Beginn des Kreuzzuges losstürmen würden, um in den gottgefälligen Krieg zu ziehen. Aber er hat eine Bestie entfesselt, die nun unser Land heimsucht und die nicht zu beherrschen ist. Das ist doch nicht der Sinn des Ganzen! Und ich glaube fest, dass er das Morden und Plündern nicht gutheißt. Aber diesem Kreuzzug der Armen kann selbst er keinen Einhalt mehr gebieten. Gut, dass Adalbert mich warnte. So bleibt uns noch etwas Zeit. Die wichtigsten Vorkehrungen sind bereits getroffen. Ich hoffe nur, dass wir dem Ansturm standhalten werden.“
    Der Bote wagte ihm einen Rat zu geben. „Bedenkt, dass Johann von Speyer durch sein entschlossenes Handeln die Kreuzfahrer in ihre Schranken wies und so die Juden rettete und auch seine Stadt vor Schlimmerem bewahrte.“
    Ruthard seufzte. „Entschlossenheit mag in Speyer noch Wirkung gezeigt haben, Worms jedoch konnte nicht gerettet werden. Johanns Abschreckung verlor auf dem Weg dorthin ihre Wirkung! Ich fürchte, die Truppen haben jetzt die Bestätigung erfahren, die sie brauchten, und fühlen sich nun stark genug, uns anzugreifen. Wie mir berichtet wurde, wächst das Heer täglich und hat inzwischen einebeachtliche Größe erreicht. Außerdem scheint auch Emich von Flonheim Mainz als sein Ziel auserkoren zu haben. Kennst du den Mann, den sie ‚den Leininger‘ nennen?“
    „Nur vom Hörensagen. Er ist angeblich von dem Gedanken besessen – die Anhänger des Antichristen – und das sind für ihn die Juden – zu tilgen. Wie man erzählt, lässt er sich nur schwer überzeugen. Er sieht sich als eine Art Erlöser, der einen himmlischen Auftrag erfüllt, und akzeptiert nur Gott als seinen Herrn“, belehrte ihn der Bote.
    „Wann immer dieser Name erwähnt wird, spricht niemand gut über ihn! Und nun will ich allein sein“, beendete er die Unterhaltung. „Mein Diener wird dir deinen Schlafplatz zeigen. Morgen kannst du zurück nach Worms reiten und Adalbert meinen Dank übermitteln.“
    Ruthards Gottvertrauen geriet ins Wanken. Die Hoffnung, dass Mainz verschont würde, zerschlug sich. Nur gut, dass sie auf eine Belagerung vorbereitet waren. Schäden an der Mauer waren weitgehend ausgebessert, die Vorräte waren aufgefüllt, seine Soldaten gewappnet. Ab morgen würde er Männer abstellen, die die Brunnen bewachten, damit das Wasser nicht verunreinigt würde. Die Mönche vom Jakobsberg mussten noch rechtzeitig in die Stadt gebracht werden, genauso wie die Landbevölkerung. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun. Er kniete vor seinem Kruzifix nieder und betete, doch fand er heute nicht den Trost, den er sich erhoffte.

Mittwoch, 21. Mai 1096, 26. Iyyar 4856
    Worms
    Ariel hielt den Schlaf von sich fern. Sobald er die Lider schloss, kamen die Bilder und fügten sich zu einem grausigen

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