Das Blut von Magenza
gut wie ich, dass der Erzbischof ebenfalls Männer ausschicken wird, damit sie die Landbevölkerung auffordern, sich hierher zu flüchten. Ich komme ihm lediglich zuvor. Und je früher ich reite, umso eher bin ich zurück. Ich weiß, dass Eure Hauptsorge dem Domschatz gilt. Es ist aberinzwischen alles so weit vorbereitet, dass er rasch versteckt werden kann. Spätestens übermorgen bin ich wieder hier.“
Embricho wusste, dass Hanno nicht klein beigeben würde. „Selbst wenn ich es dir untersagte, würdest du dich davonstehlen, kaum dass ich dir den Rücken zugekehrt habe. Stimmt es?“
Hanno antwortete ihm nicht, senkte aber schuldbewusst die Lider.
„Geh von mir aus, aber du bist spätestens Freitag wieder zurück!“, meinte er barsch.
„Ihr seid sehr großzügig und ich danke Euch!“, verabschiedete sich Hanno und eilte in den Stall, um sich ein Pferd zu holen.
Dithmar und Griseldis waren seit gestern heimlich verlobt. Mit diesem Eheversprechen setzte er sich nicht nur über den väterlichen Willen hinweg, sondern musste auch gegen sein schlechtes Gewissen ankämpfen. Noch immer hieß der Tuchmachermeister diese Verbindung nicht gut. Deshalb musste Griseldis Dithmar auch versprechen, die Verlobung so lange für sich zu behalten, bis er einen günstigen Moment fand, in dem er mit seinem Vater reden konnte. Sie gab ihm ihr Wort nur zu gern, denn sie hoffte, dass die Zeit für sie arbeiten würde.
Jetzt, da sie endlich am Ziel ihrer Wünsche angekommen war, hätte sie eigentlich Grund zum Jubeln gehabt, gäbe es da nicht die anrückenden Kreuzfahrer und allen voran Hanno, der ihr unbeirrt im Genick saß. Noch hatte sie seine Forderung nicht erfüllt und sie dachte auch nicht daran, es zu tun, aber ihr fiel einfach keine zufriedenstellende Lösung ein. Bisher war sie ungeschoren davongekommen, aber jetzt, nach dem Ende ihrer Affäre mit Ruthard, fürchtete sie dessen Zorn mehr als je zuvor. Deshalb scheute sie auch vor einem weiteren Mord zurück. Vielleicht wusste Gerhard Rat. Er war genauso davon betroffen wie sie. Während der letzten Tage hatte er sie immer vertröstet und abgewiesen, aber jetzt ließ sie sich nicht länger hinhalten. Heute Abend würde sie zu ihm gehen und ihn mit ihrem Anliegen konfrontieren.
Battenheim
Bevor Hanno die Stadt verließ, ging er zur Dombauhütte. Er wollte Widukind mitteilen, was er vorhatte. Aber außer Meister Archibald und zwei Lehrlingen war niemand da.
„Die Lombarden arbeiten am Dom, die anderen prüfen die Stadtmauer immer noch auf Schäden und bessern sie gleich aus. Willst du zu jemand bestimmtem?“
„Ich muss Widukind sprechen.“
Meister Archibalds düstere Miene hellte sich auf. „Er ist an ihrem nördlichen Teil, dort wo die Mauer zum Rhein hin abknickt.“
„Ich habe keine Zeit, ihn zu suchen. Kommt er nachher wieder hierher?“
„Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.“
„Kannst du ihm ausrichten lassen, dass ich seine Familie und die Dorfbewohner herbringe?“
„Das werde ich tun. Er wollte morgen selbst nach Battenheim reiten. Nun kann er sich diesen Weg sparen. Wie gut kennst du Graf Bolko?“, fragte Archibald.
„Einigermaßen“, antwortete Hanno.
„Du wirst einiges an Überredungskraft aufbieten müssen, um ihn zu überzeugen.“
„Ich merke es mir. Bisher hatte ich aber immer erreicht,was ich mir vorgenommen hatte“, behauptete Hanno selbstbewusst.
Archibald betrachtete ihn prüfend. „Daran habe ich keinen Zweifel. Ich wünsche dir trotzdem Glück!“, gab der Steinmetzmeister ihm mit auf den Weg.
„Das kann ich brauchen.“
Außerhalb der Stadt ging es im wilden Galopp Richtung Süden. Kurz bevor Hanno die Kuppe erreichte, an der er überfallen worden war, drosselte er das Tempo. Die Erinnerung an das schreckliche Erlebnis flammte wieder auf, aber er schüttelte die bösen Gedanken ab und ritt unbeirrt weiter. Nichts außer dem Tod konnte ihn an seinem Vorhaben hindern.
Im Dorf selbst war nichts von einer Unruhe wie in Mainz zu spüren. Die Menschen gingen wie immer ihrem Tagewerk nach und grüßten ihn freundlich, als sie ihn erkannten. Das Vieh befand sich auf den Weiden, die Schweine grunzten in den Koben, Hunde bewachten die Eingänge zu den Höfen und das Federvieh lief aufgeregt gackernd kreuz und quer. Doch Hanno wusste, diesem Frieden konnte man nicht trauen.
Während er zum Anwesen von Graf Bolko ritt, dachte er an Yrmengardis, die er lange nicht mehr gesehen hatte. Ob sie immer noch so für ihn empfand
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