Das Blut von Magenza
Diener die Botschaft überbracht hatte, passte nicht zu ihm. Dennoch hatte sie beschlossen zu kommen, denn sie war einfach zu neugierig, um diese Verabredung zu verpassen. Als sie die Stelle erreichte, an der es dunkel war, blieb sie vorsichtshalber stehen. Sie spürte die Gegenwart eines anderen Menschen mehr, als dass sie ihn sah. Jetzt war sie sich sicher, dass jemand sie in eine Falle locken wollte. Sie überlegte, wer es sein konnte, und gelangte zu dem Schluss, dass diese Person Gerhards Haushalt entstammen musste. Um besser zu sehen, hob sie die Laterne ein Stück höher und leuchtete die Umgebung ab, konnte aber nichts entdecken. Wenn sie doch nur hinter die Biegung schauen könnte, die direkt vor ihr lag. Sie spannte ihre Armmuskeln an und spürte die Dolche,die sich an den üblichen Stellen befanden. Mit ihrer freien Hand zog sie einen hervor und richtete ihn gegen den vermuteten Feind. Das gab ihr die nötige Sicherheit. Gut, dass sie über einen kleinen Vorrat an Waffen verfügte, so wog der Verlust der beiden, die Hanno ihr abgenommen hatte, nicht allzu schwer.
Sie holte tief Luft und beschloss weiterzugehen. Kaum bog sie um die Ecke, ging alles auf einmal sehr schnell. Sie nahm einen Luftzug wahr, der durch die Bewegung eines Menschen ausgelöst wurde, und duckte sich instinktiv weg. Gerade noch rechtzeitig, denn irgendetwas Metallisches sauste über ihren Kopf hinweg, verfehlte ihn knapp und schlug dann hart gegen die Wand, sodass Funken stoben. Nun kannte Griseldis den Standort ihres Angreifers und sie schleuderte mit einer gezielten Bewegung die Laterne in dessen Richtung, während sie gleichzeitig den Dolch auf Brusthöhe hielt. Als die Lampe auf dem Boden aufschlug, ging sie zu Bruch. Doch der kurze Moment genügte um zu sehen, dass es Reinhedis war, die sie attackierte.
Ihr Anblick ließ Griseldis das Blut in den Adern gefrieren. Gestern Abend hatte sie ausgesehen wie eine Gestalt aus der Unterwelt. Heute glich sie mit ihrer wutverzerrten Fratze einer wildgewordenen, zu allem entschlossenen Furie. Sie zweifelte keine Sekunde, dass die Burgherrin sie töten wollte. Die Laterne hatte sie jedoch für einen Moment geblendet und diese Zeit reichte Griseldis, um sich mit einem geschmeidigen Satz außer Reichweite zu bringen. Reinhedis schlug weiterhin blindlings um sich. Ihre Bewegungen wurden immer unkontrollierter, sie dachte aber nicht daran aufzugeben. Da sie sich in körperlich schlechterer Verfassung befand als Griseldis, geriet sie allmählich außer Atem und ihre Kraft erlahmte. Sie keuchte immer schwerer undGriseldis nutzte ihre Chance. Sie sprang hinter die Burgherrin und presste ihr die Klinge an den Hals. Das kühle Metall brachte Reinhedis einigermaßen zur Vernunft und ließ sie für den Moment innehalten.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen, dass du mich töten willst!“, schrie Griseldis ihre angestaute Wut heraus. „Lass sofort das Eisen fallen“, forderte sie. „Sonst steche ich zu.“
„Lieber sterbe ich, als dass ich tue, was du verlangst!“
„Warum solltest du sterben wollen?“
„Du falsche Schlange zerstörst mir nicht mein Leben, indem du mir meinen Mann abspenstig machst!“
Aus Griseldis’ Stimme klang Unsicherheit: „Ich verstehe dich nicht. Wie kommst du nur auf einen solchen Gedanken? Ich hatte nie vor, das zu tun, sondern war dir immer freundlich gesonnen! Gerhard bedeutet mir nichts! Weshalb hasst du mich so, dass du mich töten willst?“
„Freundlich warst du vor allem zu meinem Gemahl und das immer nachts in seinem Schreibzimmer, du Ehebrecherin!“, geiferte die Burgherrin weiter.
„Ich bin keine Ehebrecherin und dein Gatte interessiert mich auch gar nicht. Und wenn du nicht so verblendet wärst, wüsstest du, dass er nur Augen für dich hat“, meinte Griseldis und nahm die Klinge ein Stückchen zurück.
„Das glaube ich dir nicht. Ich habe euch belauscht. Ihr traft euch an vielen Abenden allein in seinem Zimmer und er hat es mir stets verschwiegen. Ich frage dich: Ist Untreue erst dann Untreue, wenn sie offenbar wird? Oder reicht nicht schon der Gedanke daran?“, schluchzte Reinhedis und klang dabei überaus verworren.
Griseldis zog hörbar die Luft ein. „Weder Gerhard noch ich empfinden etwas füreinander. Du tust ihm unrecht. Unddass er die Treffen geheim hielt, hat seinen Grund.“
„Und der wäre?“
„Das erfährst du erst, wenn du diesen verdammten Haken fallen lässt und wir uns wie zivilisierte Menschen unterhalten
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