Das Blut von Magenza
die Augenbrauen zusammen. „Wie meinst du das?“
„Ihr solltet den Schulterschluss mit Gerhard wagen, auch wenn es Euch schwerfällt. Ihr beide seid die unumstrittenen Herrscher über diese Stadt. Ihr müsst eure Kräfte bündeln, um noch stärker zu werden und diese gemeinsame Stärke dann den Bürgern zeigen. Wenn sie sehen, dass ihr eure Differenzen angesichts der Bedrohung überwunden habt, werden sie Euch folgen.“
Ruthard war ans Fenster getreten und schaute hinaus. Was Conrad sagte, hatte Hand und Fuß. Er sollte wirklich die schwelende Fehde mit dem Stadtgrafen beilegen, bis die Gefahr gebannt war. Momentan akzeptierten die Bürger seinen Anspruch auf Vorherrschaft innerhalb der Stadt und die damit verbundenen Privilegien für die Kirche. Aber womöglich begannen sie das zu hinterfragen, wenn ihnen Nachteile drohten. Ruthard wusste um die Fragilität dieses Gefüges. Nichts war von Dauer, steter Wandel bestimmte das Leben, auch wenn die Kirche ihn aufzuhalten versuchte. Er musste die kommende Bewährungsprobe bestehen, sonst ging er am Ende geschwächt aus ihr hervor, was das Machtgefüge zugunsten des Stadtgrafen oder auch der Bürgerschaft verschieben konnte. Deshalb war es weise, vorzusorgen und Allianzen einzugehen. Er würde die Bürger samt ihrem Burgherrn auf seine Seite ziehen und sienicht von seinen Entscheidungen ausschließen, zumindest solange die Wallfahrer das Rheinland unsicher machten.
„Conrad, dein Rat klingt vernünftig. Du kennst Gerhard gut, deshalb geh in meinem Namen zu ihm und bitte ihn her.“
Conrad war erstaunt über das schnelle Einlenken des Bischofs, denn er hatte mit größerem Widerstand gerechnet. „So wie ich ihn kenne, werde ich ihn nicht lange überzeugen müssen. Da ist noch etwas, das geregelt werden müsste. “
„Rede!“
„Im Falle der Belagerung benötigt Ihr einen Unterhändler. Ihr werdet Euch doch nicht selbst in Gefahr begeben wollen, indem Ihr die sicheren Mauern verlasst und vor die Tore tretet?“
„Du bist wie immer vorausschauend und hast dir reichlich Gedanken gemacht. Wahrscheinlich hast du auch schon einen Unterhändler ausersehen?“
„Ja“, antwortete Conrad. „Ich dachte an Abt Manegold. Er ist von entsprechendem Stand, ein Mann der Kirche, in der Diplomatie geübt und Euch treu ergeben. Alles Eigenschaften, die ihn dafür prädestinieren. Die Kreuzfahrer werden nicht wagen, die Hand gegen ihn zu erheben.“
„Das ist ein kluger Vorschlag. Nachdem du bei Gerhard warst, sprich mit Manegold und bitte ihn ebenfalls zu mir. Hast du sonst noch Anmerkungen?“
„Nicht für den Augenblick“, entgegnete er, obwohl er sich sehr wohl um die Juden sorgte. Aber er hielt den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, sich zu ihrem Fürsprecher zu machen.
Der Erzbischof wandte sich an seinen Kämmerer: „Embricho, was gilt es aus deiner Sicht zu berücksichtigen?“
„Der Domschatz muss in Sicherheit gebracht werden, damit er bei einer möglichen Einnahme der Stadt nicht den Plünderern in die Hände fällt. Es wäre eine Schande, wenn die wertvollen Kleinodien für immer verloren gingen. Ich warte nur auf Eure Aufforderung, dann wird er auf die Verstecke verteilt; verpackt ist er bereits. Mit unseren Finanzen steht es auch nicht zum Besten. Die Maßnahmen zur Sicherung der Stadt haben unser gesamtes Kapital verschlungen. Egal, wie wir es drehen und wenden, es wird teuer, vor allem wenn wir belagert werden. Entweder weil wir nach einem möglichen Angriff Schäden zu beseitigen haben oder weil wir den Belagerern hohe Summen in Aussicht stellen müssen, damit sie abziehen. In beiden Fällen kostet es uns Geld, das wir nicht haben. Nur woher bekommen wir es?“, fragte er scheinbar arglos.
Ruthard kannte seinen Verwandten gut genug, um zu wissen, dass er dafür bereits eine Lösung parat hatte. „Ich stimme dir zu, dass der Domschatz an einen sicheren Ort gebracht werden soll. Die Pretiosen sind nicht nur von hohem materiellen, sondern vor allem auch von religiösem Wert. Du kannst morgen alles in die Wege leiten. Und nun zu dem leidigen Geldproblem“, – weiter kam er nicht, denn ein Diener meldete Kalonymos, der darauf beharrt hatte, vorgelassen zu werden.
Embricho und Ruthard tauschten vielsagende Blicke. Conrad bemerkte es und erriet ihre Absicht. Der Parnass war gekommen, weil er um Schutz für seine Gemeinde bitten wollte. Die Frage war nur, wie viel er ihm wert war.
Burg
Während der Nacht hatte Reinhedis einen Entschlussgefasst.
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