Das Blut von Magenza
können. Das Ganze ist doch absurd!“, stellte Griseldis bestimmt fest.
„Wieso sollte ich dir glauben?“
„Warum sollte ich dich anlügen? Es ist mein Messer, das an deiner Kehle ist. Ein Stich und du bist tot und ehrlich gesagt, juckt es mich schon ein bisschen in den Fingern nach deiner Darbietung von eben.“
Reinhedis ließ den Schürhaken mit einem Klirren zu Boden fallen und sofort senkte Griseldis das Messer.
Die Burgherrin brach unvermittelt in Schluchzen aus. „Er redet nicht mehr mit mir und tut immer so geheimnisvoll. Aber mit dir spricht er. Du bist jetzt die Vertraute, die ich ihm früher war.“
„Können wir endlich aus diesem vermaledeiten Gang gehen, dann erkläre ich dir alles. Danach wirst du ihn verstehen. Es ist nämlich alles anders, als es scheint.“
Griseldis verbarg den Dolch wieder unter ihrem Trompetenärmel und nahm das Eisen an sich, um sicherzugehen, dass Reinhedis es sich nicht doch noch anders überlegte.
„Hast du den immer bei dir?“, fragte sie und deutete auf ihren Arm.
„Ja, ich muss mich im Notfall verteidigen können.“
Reinhedis überlegte, welchen Notfall sie meinte, traute sich aber nicht zu fragen. „Gehen wir in mein Gemach, dort sind wir ungestört.“ Sie bot Griseldis einen Stuhl an, während sie sich in ihren Sessel setzte. „Ich hoffe, du kannst meine Zweifel ausräumen.“
„Das werde ich. Aber was ich dir jetzt sage, ist von größterWichtigkeit und geheim. Niemand darf davon erfahren, sonst ist mein Leben in Gefahr und genauso das deines Mannes. Du musst absolutes Stillschweigen wahren, gibst du mir dein Wort?“
„Ich verspreche es dir“, versicherte Reinhedis ernst.
„Ich bin nicht die, die ich vorgebe zu sein. Ich wurde nach Mainz geschickt, weil ich einen Auftrag zu erledigen habe, in den Gerhard eingeweiht ist.“
Reinhedis verstand zwar immer noch nicht, hörte aber aufmerksam zu. Ihr Misstrauen gegenüber Griseldis war kein bisschen weniger geworden, sie würde schon glaubwürdigere Argumente anführen müssen.
Griseldis atmete tief aus und ein, bevor sie mit der Wahrheit herausrückte. „Ich bin eine kaiserliche Agentin.“
Die Burgherrin staunte nicht schlecht über diese Enthüllung. Dergleichen hatte sie noch nie gehört und es klang für sie absolut unglaubwürdig. In ihrer Vorstellung gab es keine Frauen, die derlei Aufgaben übernahmen, das war reine Männersache. Aber so wie Griseldis zu kämpfen verstand, konnte es stimmen „Das klingt so abenteuerlich, dass ich es kaum glauben kann. Und das ist wirklich die Wahrheit?“, argwöhnte sie weiterhin.
„Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass ich nicht lüge. Als Beweis kann dir Gerhard das Schreiben des Kaisers vorlegen. Heinrich spricht darin zwar nicht offen über meine Tätigkeit, aber er bezeichnet mich als ‚kostbare Ware, die bald eintrifft‘. Außerdem enthält es verschlüsselte Anweisungen, wie wir vorgehen sollen, die allerdings nur Eingeweihte verstehen.“
Reinhedis lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie wusste nicht, ob Griseldis irgendetwas auf dieser Welt heilig war oder nicht und verzichtete deshalb auf ihrenSchwur. Doch sie erinnerte sich vage an die Nachricht, die sie gefunden hatte, als sie nach dem Geheimgang suchte. Darin wurde tatsächlich eine entsprechende Warenlieferung erwähnt und sie hatte sich schon damals darüber gewundert. „Dann hast du uns allen etwas vorgespielt und kamst gar nicht hierher um zu heiraten? Das wird für Dithmar eine schwere Enttäuschung sein.“
„Ich habe Dithmar nicht getäuscht, denn ich will tatsächlich diese Ehe eingehen. Ich habe meine Tätigkeit inzwischen satt, sie wird mir zu gefährlich. Einmal wurde ich bereits enttarnt, noch einmal möchte ich das nicht riskieren. Etliche Jahre stand ich im Dienste des Kaisers. Dieser Auftrag ist mein letzter, danach entlässt er mich und ich werde zu einer gewöhnlichen Bürgerin.“
„Mit einer äußerst ungewöhnlichen Vergangenheit!“, bemerkte Reinhedis, die in Gedanken Griseldis‘ Alter überschlug. „Demnach bist du wohl älter, als du aussiehst“, äußerte sie wenig schmeichelhaft.
Griseldis lachte auf. „Ich bin 27, nur zwei Jahre jünger als du.“
Reinhedis entspannte sich zusehends. Auch wenn es einigermaßen plausibel klang, erklärten sich noch immer nicht die regelmäßigen Treffen mit Gerhard. „Ich verstehe aber immer noch nicht, welche Rolle Gerhard spielt und warum du dich heimlich in die Burg geschlichen hast“,
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