Das Blut von Magenza
Speisezimmer auf den Erzbischof wartete, dachte er besorgt an Hanno. Noch nie hatte er sich verspätet ohne ihm eine Nachricht zukommen zu lassen und jetzt war er zwei Tage überfällig. Embricho fürchtete, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, versuchte sich aber gleichzeitig einzureden, dass seine Sorge unbegründet sei und er jeden Moment durch die Tür hereinspaziert käme. Hanno war in der Lage, auf sich selbst aufzupassen. Käme er tatsächlich nicht zurück, wäre das ein großer Verlust für ihn, denn Hanno war der gewiefteste unter seinen Agenten. Manchmal wandte er zwar Methoden an, die gegen Gesetz und Moral verstießen, doch solange er sein Ziel erreichte, rechtfertigte der Zweck die Mittel.
Der Kämmerer ging etliche Möglichkeiten durch, dieGrund für seine Verspätung sein konnten. Vielleicht hatte er den Mörder aufgespürt und folgte nun seiner Spur, bis er ihn dingfest machen konnte. Möglich war aber auch, dass seine Würfelleidenschaft ihn in Bedrängnis gebracht hatte und er über die Feiertage in einem Gefängnis saß. Schon einmal hatte der Kämmerer ihn auslösen müssen, worauf Hanno ihm versprochen hatte, vorsichtiger zu sein. Oder sollte er einem Weib verfallen sein und darüber die Pflicht seinem Dienstherrn gegenüber vergessen haben? Am meisten schreckte Embricho aber der Gedanke, er könnte Opfer von Straßenräubern geworden sein und irgendwo tot in einem Graben liegen. Der Kämmerer beschloss, ihm noch eine Frist von sechs Tagen zu gewähren. Sollte er bis dahin kein Lebenszeichen von ihm bekommen, würde er zwei seiner fähigsten Männer ausschicken, damit sie sein Schicksal ergründeten.
In den letzten beiden Tagen war ihm erst so richtig bewusst geworden, wie sehr Hanno ihm inzwischen ans Herz gewachsen war. Er hegte beinah väterliche Gefühle für ihn, auch wenn er dies nicht offen zugab. Er kannte die Vorzüge seines Schützlings genauso wie dessen Fehler und war bereit, letztere bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren. Hanno hatte nämlich etwas geschafft, was nicht vielen Männern gelang: Er hatte sein Leben grundlegend geändert und war vom Vagabunden zu einem angesehenen Bürger geworden. Natürlich hatte der Kämmerer dabei eine wichtige Rolle gespielt und konnte mit Fug und Recht behaupten, dass Hanno sein Geschöpf war und er ihn zu einem Homo novus gemacht hatte. Hanno wusste das ebenfalls und dankte es ihm mit Loyalität.
Embrichos Gedanken wurden von Ruthard unterbrochen, als dieser das Speisezimmer betrat. „Gelobt sei JesusChristus“, begrüßte ihn der Erzbischof.
„In Ewigkeit Amen. Du siehst viel besser aus als vor zwei Tagen“, stellte der Kämmerer fest.
„Ich fühle mich auch so.“
„Dann hast du etwas Appetit mitgebracht?“, hoffte Embricho, dessen Magen schon seit geraumer Zeit grummelte. Selbst die Sorge um seinen Zögling hatte seinen Hunger nicht bändigen können.
„Ich habe tatsächlich etwas Appetit“, bemerkte Ruthard mit Blick auf die Tafel.
Zu seinem Erstaunen war sie zwar reich gedeckt, aber längst nicht so üppig wie befürchtet und er schien auch entgegen seiner Erwartung der einzige Gast zu sein. Gab es einen Grund dafür? Er betrachtete seinen Verwandten genauer und ihm fielen die dunklen Ringe unter den Augen und dessen fahle Gesichtsfarbe auf. Irgendetwas bedrückte ihn. „Dir scheint es aber nicht gut zu gehen.“
„Ich mache mir Sorgen um Hanno. Er hätte vor zwei Tagen zurück sein müssen und ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Das ist sehr ungewöhnlich, denn er ist die Zuverlässigkeit in Person.“
„Er weiß sich schon zu helfen. Gewiss gibt es einen guten Grund für seine Abwesenheit. Du wirst sehen, er kommt bald wieder“, versuchte der Erzbischof ihn zu trösten. „Mir ist vorhin etwas Seltsames passiert“, fuhr er fort und erzählte ihm vom Überfall auf Griseldis.
„Und was befremdet dich daran?“, hakte Embricho nach.
„Ich weiß es nicht genau, aber meine Soldaten sahen ihre angeblichen Bedränger nicht und sie erholte sich nach dem Übergriff erstaunlich rasch.“
„Wir Männer werden die Frauen nie verstehen, mach dir also keine unnötigen Gedanken. Wahrscheinlich hat deineGegenwart und die deiner Soldaten sie rasch beruhigt, weil sie sich dann sicher fühlte. Ich halte ihre Geschichte für einigermaßen glaubwürdig. Die Stadt ist heute doch voller Betrunkener, die oft über die Stränge schlagen“, meinte der Kämmerer.
„Genau das macht mich ja nachdenklich. Betrunkene haben
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