Das Blut von Magenza
kann mich nicht hören, denn er ist ausgegangen, ins Wirtshaus!“, ärgerte er sich, während er Griseldis an den Tisch führte, auf dem sich Kapaun, Schweinebraten in Zimtkruste, Linsenbrei, gedünsteter Fenchel, Lauch und Weißbrot befanden.
„Ist er wegen mir gegangen?“, schlussfolgerte sie richtig.
Dithmar nickte betrübt. „Ich weiß nicht, warum er sich so verhält. Seit er dich das erste Mal sah, muss ich mir anhören, dass ich mich nicht mit dir einlassen soll, da niemand Näheres über dich weiß. In meinen Augen hat er nicht das Recht, über dich zu urteilen! Noch keine sechs Monate nach dem Tod meiner Mutter nahm er sich eine Geliebte. Sie ist gerade mal fünf Jahre älter als ich!“
„Dein Vater ist eben auch nur ein Mann“, zeigte Griseldis Verständnis. „Fürchtest du etwa, dass er einen weiteren Erben zeugt und dein Erbteil dadurch geschmälert wird?“
„Solange er das Weibsbild nicht ehelicht, besteht für mich keine Gefahr. Aber er hat mir nicht vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.“
„Wenn er Bedenken gegen mich hat, muss er doch nur den Stadtgrafen fragen. Er kann seine Zweifel aus dem Weg räumen.“
„Das habe ich ihm auch gesagt, aber er meinte, Gerhards Wort allein reiche ihm nicht. Ich jedenfalls habe nichts an dir auszusetzen“, entfuhr es ihm. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas Schlechtes an dir sein soll.“
Griseldis schenkte ihm ein unwiderstehliches Lächeln. Dithmar war dabei, sie auf ein Podest zu stellen, was ihr gar nicht unangenehm war. Sollte er nur weiterhin das Beste von ihr denken. „Damit du siehst, dass ich keine Geheimnisse habe, erzähle ich dir einfach beim Essen meine ganze Geschichte“, meinte sie.
„Das musst du nicht!“, wehrte Dithmar ab. „Das Vergangene ist vergangen, wir leben im Hier und Heute. Es interessiert mich nicht, wer du warst. Ich will nur wissen, wer du bist.“
„Du lässt außer Acht, dass meine Vergangenheit mich zu der macht, die ich bin. Oder langweile ich dich etwa unddu hast kein Interesse an meinem Vorleben?“
Dithmar wehrte heftig ab. „So habe ich das nicht gemeint. Ich will nur nicht, dass du dein Innerstes nach außen kehrst, nur um mir zu gefallen.“
„Das werde ich auch nicht. Und besonders aufregend war mein Leben bislang nicht“, meinte sie, was allerdings nicht der Wahrheit entsprach.
„Gut, dann fang an!“, forderte Dithmar sie auf und Griseldis begann zu reden, wobei sie bestimmte Details ausließ, die Dithmars Vertrauen in sie erschüttert hätten. Sie verschwieg ihm, dass sie eine erfahrene Frau war, die genau wusste, was sie vom Leben erwartete. Aber für sie beide war es besser, er würde weiterhin das unschuldige Weib in ihr sehen, das er sich wünschte. Griseldis erzählte ihm von ihrer Kindheit und Jugend, ihrem Leben am Hof. „Den Rest kennst du ja schon von Reinhedis‘ Geburtstag. Wie du siehst, habe ich nicht viel Aufregendes erlebt“, schloss sie ihre Schilderung. „Bis auf vorhin.“
„Was geschah denn vorhin?“, erkundigte er sich interessiert.
„Zwei betrunkene Rüpel haben mich angegriffen“, antwortete sie ihm.
„Da sitzst du in aller Seelenruhe beim Essen und behältst das für dich?“
Griseldis lehnte sich vor und blickte ihn an. „Ich habe das schon fast wieder vergessen und du warst über deinen Vater so aufgebracht, dass ich es nicht zur Sprache bringen wollte.“
„Warst du nicht in Begleitung von Bertram?“
„Nein, er ist krank und liegt im Bett!“
„Warum hast du mir keine Nachricht gesandt? Ich hätte dir meinen Diener geschickt! Damit so etwas nicht wiedergeschieht, bringe ich dich nachher zurück.“
Dithmar hielt sein Wort und begleitete sie nach Hause. Vor Griseldis‘ Haustür wusste er nicht so recht, wie er sich verabschieden sollte.
Sie bemerkte seine Verlegenheit. „Ich danke dir für den schönen Tag“, sagte sie und machte einen Schritt auf ihn zu. Dann vergewisserte sie sich, dass sie allein waren, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Ohne ein Wort zu verlieren, drehte sie sich um und verschwand in ihrem Haus. Dithmar, der mit diesem Kuss nicht gerechnet hatte, blieb völlig verdattert zurück. Er kam sich vor wie ein Esel, fühlte sich aber gleichzeitig wie der glücklichste Mann auf der Welt. Sie schien seine Gefühle zu erwidern. Jetzt musste er nur noch seinen Vater überzeugen, dass sie die Richtige für ihn war.
Im Anwesen des Kämmerers
Während Embricho im
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