Das Blut von Magenza
Hände und ihre Füße im Laufe des Tages schmerzhaft an und während der Nacht trieben sie Wadenkrämpfe aus dem Bett. Auch jetzt bahnte sich gerade wieder ein solcher Krampf an. Sie tastete mit ihren nackten Füßen nach den Pantinen, zog ein Hemd über und stand auf. Dabei stellte sie betrübt fest, dass Gerhards Seite noch immer leer war.Kurzerhand beschloss sie nachzuschauen, wo er blieb. Nachdem der Krampf abgeklungen war, verließ sie das Schlafgemach und ging zu seinem Schreibzimmer.
Unter der Tür schien Licht durch, demnach arbeitete er also noch. Früher hatte sein Tagesablauf aus jeweils acht Stunden Arbeit, Gebet und Schlaf bestanden. Doch inzwischen hatte sich dieses Gleichgewicht zu Gunsten der Arbeit verschoben. Immer häufiger kam er spät ins Bett und behauptete, Amtsgeschäfte hielten ihn auf. Er erschien ihr müde und gereizt und war blasser als üblich. Gern hätte sie gewusst, was die Gründe für seine Veränderung waren, doch er wiegelte stets ab und behauptete, alles sei in Ordnung. Seine Zurückweisung kränkte sie mehr, als dass sie sie verärgerte, dennoch war sie darüber enttäuscht.
Reinhedis hatte die Hand schon ausgestreckt, um die Tür zu öffnen, als sie eine Frauenstimme hörte. Ihr Herz setzte kurz aus, nur um dann heftiger zuschlagen. Das Blut schoss ihr in den Kopf und pochte laut in ihren Ohren. Sie bebte am ganzen Körper und beinah wäre ihr die Kerze aus der Hand gefallen. Nur mit Mühe konnte sie einen Wutschrei unterdrücken. Es waren keine Amtsgeschäfte, die ihn von ihrem Bett fernhielten, sondern ein Weib!
Obwohl sie vor lauter Zorn bebte, konnte sie erstaunlich klar denken. Sie überlegte, wie dieses Weibsstück überhaupt in die Burg gelangt war, denn um diese Zeit wurden die Tore nur in besonderen Fällen geöffnet. Sie würde keine Ruhe haben, bis sie wusste, wer bei ihrem Mann war. Sie presste ihr Ohr fest an die Tür und lauschte. Als wenig später ein glockenhelles Lachen ertönte, wusste sie, es war also Griseldis.
Rasend vor Eifersucht biss sich Reinhedis auf die Lippen, bis sie bluteten. Am liebsten wäre sie hineingestürmt undhätte die beiden bloßgestellt. Aber trotz ihrer Wut traute sie sich nicht. Stattdessen baute sich grenzenloser Hass in ihr auf. Jede andere hätte sie Gerhard verziehen, nicht aber Griseldis! Diese falsche Schlange drängte sich zwischen sie und ihren Gemahl und schlich sich dazu nachts heimlich in die Burg. Sie war bestimmt der Grund, warum Gerhard immer später den Weg in das Ehebett fand. Wahrscheinlich stimmte ihre Behauptung sogar, sie suche einen Mann, aber offenbar sollte es ein bestimmter sein und zwar Gerhard. Ihr Ziel war es, Burgherrin zu werden!
In ihrem Zorn ballte Reinhedis ihre Hand zur Faust und spie ihren Ärger und ihre Verachtung gegen die Tür. Blind vor Tränen stolperte sie zurück ins Schlafgemach und legte sich zitternd in ihr Bett. Sie war verzweifelt. Was sollte sie tun? Gerhard direkt darauf ansprechen und somit eingestehen, dass sie ihn belauscht hatte? Oder ihm weiterhin vorspielen, dass alles in Ordnung sei?
Unter den Juden
„Mutter, Immanuel hat geschrieben!“, rief Sara fröhlich durchs Haus.
Rachel kam zu ihrer Tochter in die Küche und setzte sich ächzend hin. Sie hatte sich während der letzten Tage erstaunlich gut erholt und galt nun nicht mehr als unrein. „Wie geht es den beiden?“
„Gut“, freute sich Sara. Während sie weiterlas, verschwand der freudige Ausdruck aus ihrem Gesicht und sie schaute ernst. „Die Verhandlungen verlaufen zäh und sie werden wohl länger als gedacht in Italien bleiben. Immanuel wird nicht rechtzeitig zur Geburt unseres Kindes zurück sein“, meinte sie traurig und ließ den Brief sinken.
„Das ist kein Grund, um Trübsal zu blasen. Wenn er zurückkommt, werdet ihr eine kleine Familie sein, die zudem nicht gerade arm ist“, versuchte Rachel sie aufzuheitern und tätschelte ihre Hand.
„Ich möchte ja auch, dass er zu einem erfolgreichen Abschluss kommt. Aber die Trennung fällt mir mit jedem Tag schwerer. Wir sind doch erst so kurz verheiratet.“
„Vor euch liegt noch euer ganzes Leben“, redete Rachel weiter auf sie ein. „Später, wenn ihr ein altes Ehepaar seid, wirst du dich kaum noch daran erinnern.“
„Meinst du?“
„Du kannst mir glauben, mir erging es doch nicht anders. Dein Vater war als junger Mann auch viel unterwegs“, versicherte sie ihr. „Ich wundere mich übrigens, was es mit den ganzen Frauenbesuchen während der
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