Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
es einzuschalten. Oder vielleicht probte sie auch gerade für das Musical, von dem sie ihm erzählt hatte. Er konnte sich vorstellen, dass da während einer Probe alle Handys ausgeschaltet sein mussten. Das war jedenfalls vernünftig.
In gewisser Weise war es auch eine Erleichterung für ihn. Die Nachrichten, die er ihr überbringen musste, verdienten es – nein, verlangten es sogar –, dass sie persönlich überbracht wurden. Er fürchtete sich vor der Aussicht, ihr gegenüber zu sitzen, ihr in die Augen zu sehen und ihr zu erzählen, dass der Vater ihres Kindes, der Mann, der sie mit 18 Jahren entführt und vergewaltigt hatte, der gleiche Mann war, der ihre Tochter – ihrer beider Tochter – geschwängert hatte.
Da würde er ja schon fast lieber mit einem NIGGERFEIND-Plakat durch eine Farbigensiedlung laufen.
Aber er versuchte weiter, eines ihrer Telefone zu erreichen. Währenddessen musste er die Zeit überbrücken. Er wollte nicht in die Stadt zurückfahren und dann noch einmal hier herauskommen. Also fuhr er eine Weile ziellos herum, dann überlegte er sich, dass er ja wieder Joe Henry werden und dem Auf der Arbeit einen Besuch abstatten könnte. Er hatte widerstreitende Gefühle bei der Aussicht, vielleicht Bolton zu begegnen. Auf der einen Seite wollte er eine weitere Möglichkeit haben, herauszufinden, was im Kopf von diesem Typen vorging, was ihn zu diesen Sachen trieb, und vielleicht würde er ja auch etwas über dieses Baby verlauten lassen; auf der anderen Seite fröstelte ihn schon, wenn er nur an diesen Kerl dachte.
Er rief noch einmal beide Nummern von Christy an. Kein Glück.
Zeit, auf die Arbeit zu gehen.
8.
Jerry gingen die Nerven durch. Voll. Dawn hatte schon früher gesehen, wie er einen Wutanfall bekam, aber er hatte sich immer ziemlich schnell wieder beruhigt. Das jetzt war anders. Er konnte nicht still sitzen. Er setzte sich, dann sprang er wieder auf, schaltete den Fernseher ein, zappte durch ein paar Programme, dann schaltete er ihn wieder aus. Er sah so aus, als könnte er echt voll jeden Augenblick explodieren oder so was.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
Er blieb zwischen Fernseher und Fernsehsessel stehen und schaute zu ihr hinüber.
»Ja, Schatz. Wieso?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Du wirkst irgendwie – angespannt.«
»Mir geht eine Menge im Kopf rum.«
»Ist bei der Besprechung etwas schiefgegangen?«
»Besprechung?« Er wirkte verwirrt.
»Du weißt schon. Da bei EA.«
»Ach das.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, bei EA ist alles in Butter. Ich bin nur besorgt über all diese Spannungen mit deiner Mutter. Ich wünschte, es gäbe einen Weg, wie wir das mit ihr klären und sie auf unsere Seite ziehen können.«
»Das wird echt nicht mehr passieren. Dazu ist es viel zu spät.«
Aber wie lieb von ihm, dass er sich darüber sorgte. Es war so voll typisch für ihn, dass er sich Sorgen wegen einer verrückten Frau machte, die ihm schreckliche Dinge vorgeworfen und dann versucht hatte, ihn zu verführen.
Und deswegen fühlte Dawn sich auch noch voll viel schlechter, wegen dem, was sie mit dem Baby vorhatte.
Sie hatte eine Praxis gefunden, die sich Women’s Choice nannte, direkt hier in Rego Park. Die hatten gesagt, sie könne für ein Beratungsgespräch und den Formularkram heute Nachmittag kommen. Dann bekäme sie einen Termin für die Untersuchungen, und dann …
Sie hasste sich echt dafür, dass sie das tat, aber sie war so voll noch nicht bereit, Mutter zu werden, und sah keine andere Möglichkeit.
»Warum spielst du nicht etwas oder so? Vielleicht dieses neue Playstation-Spiel.« Dawn konnte sich an den Titel nicht mehr erinnern – ein neues Doom oder Half Life oder Call of Duty? Egal. Diese Ego-Shooter beruhigten ihn jedes Mal wieder.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Lust, zu spielen. Mir wäre viel mehr danach, das in echt zu tun.«
Sie riss die Augen auf: »Leute erschießen?«
Er grinste. »War nur ein Witz.«
Der Ausdruck in seinen Augen … Dawn war sich da nicht so sicher.
Er sagte: »Ich könnte ja mal meine E-Mails checken und etwas im Internet surfen.«
Unsicherheit erfasste sie. Hatte sie die Website von Women’s Choice wieder geschlossen? Sie war sich nicht sicher. Himmel, wenn das Fenster noch offen war …
»Gute Idee«, sagte sie, drehte sich um und rannte nach oben. »Ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen.«
Sie hechtete in ihr Computerzimmer und kontrollierte den Bildschirm. Der Bildschirmschoner
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