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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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und forderte nicht auf. Für spätere hochexklusive Benefiz-Veranstaltungen dürfte man dann mal eine Ausnahme machen.
    Von der Terrasse vor der Wohnung, von der Ivana jetzt den Garten überblickte, hatte das Bild etwas von der Magie eines schamanischen Arrangements. Die hohen Bäume bildeten den Kreis, der rote Teppich bezeichnete die Opferstätte. Die sinkende Sonne ließ die Farben aufleuchten. Rotzoffs aus der äußersten Not geborener Einfall, hier ein Fest zu geben, hatte die Möglichkeiten, die in diesem verborgenen Ort steckten, wirklich erfaßt. Es war schwülwarm, die Feuchtigkeit in der Luft kündigte aber an, daß es im Dunkeln ungemütlich werden würde. Einen versunkenen Augenblick lang ruhten Ivanas Augen auf dem leeren, im Zustand der Erwartung schlafenden Gartenfestsaal. Sie war für Schönheit aller Art unempfindlich und erlebte dennoch eine kleine Entrücktheit. Es war das viele Rot des Teppichs, das in ihr eine Saite klingen ließ.
    Glücks Wohnung war, wie man sich erinnert, wenig möbliert, da mußte nicht viel zur Seite geräumt werden. Frau Markies hatte kurzerhand die Hängung der Napoleonica-Sammlung angeordnet. Was jahrelang auf dem Boden gestanden hatte, bildete jetzt eine schier endlose Reihe in vielen Formaten durch alle Räume hindurch, der Korse mit dickem Bauch, unter der Weste hervorguckendem Hemd und brütender Miene, der von Zottelhaar umwehte hager-jugendliche Kriegsgott, der als van-Eyckscher Gottvater verkleidete thronende Kaiser, immer dasselbe Gesicht, die Ähnlichkeit auf immer andere Weise, so schien es, ein klein wenig verfehlt – das war wie die Dekoration eines Restauranteinrichters. Die Räume verloren ihren Charakter als Teile einer privaten Wohnung. Dazu hatte Merzinger eine größere Zahl von mannshohen verchromten Kandelabern mit dicken Kerzen herbeigeschafft, die aussahen, als seien sie für eine im Ballsaal eines Sheraton-Hotels zelebrierte schwarze Messe entworfen. Ein ausgezehrter Mann mit Zöpfchen, seine knochigen Hüften waren von einem bunten Westchen umflattert, baute mit der Insichgekehrtheit des Technikers große Lautsprecherboxen auf. Es durchfuhr Ivana, als er probeweise seine Musik anstellte und die Geigen-, Trompeten- und Akkordeon-Akkorde einer rumänischen Zigeunerkapelle, durchmischt mit elektronischen Bässen und verfremdenden Verzerrungen, sämtliche Fensterscheiben des großen Salons im Rahmen erzittern ließen, aber es war nicht nur die bis in die Eingeweide reichende Kraft der Lautstärke – als solle diese Musik mit dem Magen gehört werden –, was Ivana beunruhigte, sondern Vertrautes, allzu Nahes aus ihrem bosnischen Waldtal, wo man sich gleichfalls soeben zu einem Tanz, allerdings diesmal ohne »Rumunsch«-Kapelle, rüstete.
    Es folgten die zehn Minuten, in denen alles fertig aufgebaut war, die unter hohem Gebüsch versteckten Eisschränke mit dem Wein endlich angeschlossen waren – eine Schlangengrube von Leitungen war vor dem Kellerfenster entstanden –, die Kerzen in den Kandelabern brannten und die ersten Tabletts mit Cocktails fertiggemacht wurden. Kurz herrschte eine vollständige Harmonie. Merzinger ging unaufgeregt durch die Räume und inspizierte mit trüber Gelassenheit – »Mich geht das alles hier nur begrenzt etwas an«, so hätte er, wenn man seine Miene deutete, denken können – aber seine Kellnermannschaft war vergnügt. Die jungen Männer und Mädchen unter dem Kommando der von Rotzoff so übel verdächtigten Evi und Kevin rauchten ihre letzten Zigaretten in der Küche und machten ihre Späße, als stehe der Ansturm nicht unmittelbar bevor.
    Rotzoff hatte sich nicht mehr sehen lassen. Er hatte im stillen mit sich gehadert, ob es nicht klüger sei, gar nicht erst zu erscheinen. Hatte er die Gefahren des Abends richtig eingeschätzt? Die Verantwortung für dessen Ablauf hätte er zwar auch ohne das Markiessche Eingreifen von sich zu schieben gewußt. Die Rolle des allwissenden Drahtziehers und des zugleich vollständig unbeteiligten scharf kritisierenden Außenseiters im selben Augenblick auszufüllen, war er von jeher staunenswert befähigt. Es wurde in seiner Gegenwart klar, daß antike Vorstellungen wie der zwiegesichtige Gott Janus keine Phantasiegestalten, sondern einem Menschentypus abgeschaut waren. Seine Neugier siegte, und die Möglichkeit eines grandiosen Scheiterns des Abends hatte auch viel Verführerisches, obwohl die innere Stimme geradezu enttäuschend abwiegelnd immerfort »Es fügt sich und es

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