Das Blutbuchenfest
Kontrolleurs, sie zu sistieren und vorzuführen, gut verstehen. Es ist schon gut und recht mit der Gleichheit, solange es ein paar Leute gibt, die sich herausnehmen, Unterschiede zu machen und Privilegien zu gewähren, vor allem der Schönheit. Aber man sieht an diesem Abgleiten in die Philosophie, daß ich versuchen mußte, meiner Enttäuschung Herr zu werden, so weit her war es offenbar doch nicht mit meinem Ahnungsvermögen.
Inge Markies empfing mich an der Tür. Im Hintergrund sah ich Frauen am Telephon, aber sie bat mich in einen großen Salon, der auf einen schattigen, von Palmen beschirmten Balkon hinausging. Hier standen zwei Teetassen und ein Teller mit englischem Sandgebäck, ich war erwartet. Frau Markies war so elegant, wie ich das von einer Frau aus Wereschnikows Kreis erwarten durfte, groß, etwas schwer, aber glänzend konserviert, alterslos – man versteht, was das heißt: faltenlose Sechzig, und das paßte auch zu Wereschnikow, denn Maruscha mochte sein Glücks- oder Unglücksfall sein, gehörte aber einer anderen Generation an. Es war der Beruf der Markies, perfekt gepflegt zu sein. Das nußfarbene dicke Haar, die leuchtend roten Fingernägel, der leuchtend rot gemalte Mund, das aus verschiedenen Seidenschichten aufgebaute Kleid eines namhaften Couturiers und die Mandel-Vanille-Duftwolke, die sie umgab, das alles machte auf mich den Eindruck äußerst erfolgreicher geschäftlicher Tätigkeit, also nicht weiblicher Verwöhntheit; es war das Tüchtige, das durch die teuren Accessoires herausgestellt wurde, die Selbstverständlichkeit, einen durchgeplanten und aufreibenden Arbeitstag in ungetrübtem Glanz zu bewältigen, was auch hieß, daß in dieser Hinsicht von Frauen erheblich mehr verlangt wurde als von Männern. Frau Markies vermittelte ihren Kunden, daß sie einer Elite angehöre, daran gewöhnt, das Außerordentliche zu leisten. Bei ihrem Parfüm dachte ich an Marzipan; und etwas marzipanhaft Schweres, Fest-Nachgiebiges hatte auch ihr Fleisch, soweit man es sah, und man sah zwischen den verschiedenen Seidenschleiern gar nicht so wenig.
Soso, Wereschnikow schicke mich also, begann sie mit kühlem Lächeln. Wereschnikow sei ein lieber alter Freund, leider etwas chaotisch und nicht eben zuverlässig, und müsse dafür auch einen Preis zahlen – sie habe oft versucht, ihm zu erklären, daß seine geniale Art, die Geschäfte zu betreiben, nicht ohne Risiko sei, aber es sei schwer, ihn zu korrigieren.
»Sie können keinen Mittfünfziger mehr erziehen«, im Grunde scheiterten Erziehungskonzepte ja schon früher, jeder Mensch stecke nun einmal in der Haut, in der er geboren werde. Dazu komme sein fatales Verhältnis zu Frauen.
»Such dir doch endlich einmal eine erwachsene Frau, eine echte Partnerin, einen reifen Menschen«, habe sie oft gesagt, aber statt dessen sei er mit einer polnischen Blondine angekommen, die … Das sei für sie immer ganz schwierig, über andere Frauen zu urteilen, sie lasse das deswegen auch: »Aber mit der zieht er wohl immer noch herum? Ich habe ihm geholfen, wo ich konnte, ich tue, ich mache, ich wünsche ihm das Allerbeste, aber so kommt er natürlich nicht weiter.«
Frisch und strahlend sah sie bei diesen Worten aus, Augenweiß und Zähne blitzten. Sie fühlte sich und stellte sich als Siegerin dar, in welchem Kampf, ließ sie im dunkeln. Und nun hatte Wereschnikow wieder einmal eine seiner fabelhaften Ideen, ohne Zweifel, denn sonst säße ich nicht bei ihr.
Worum ging es denn diesmal? Wereschnikows großes Projekt vorzustellen fühlte ich mich ohnehin nicht berufen, nach dieser Einleitung aber wäre es selbst ihm wohl schwergefallen, noch etwas Überzeugendes zu sagen. Die Mestrovic-Ausstellung aber konnte ich vertreten, und Bilder und Bücher hatte ich auch dabei, die sich auf dem Tisch des Markiesschen Salons, wo allerhand Kunstbände ausgelegt waren, durchaus hätten sehen lassen. Oder doch nicht? Begeistert schien sie nicht. Sie blätterte den großen Katalog mit einer Miene durch, die man den Malereien von anderer Leuts Kindern widmet. Mestrovics Hauptdefekt war, daß sie ihn nicht kannte und noch nicht einmal den Namen gehört hatte, die Herkunft sprach auch nicht für ihn – »Ostkunst«, sagte sie und machte dabei Lippen, als lutsche sie ein Karamelbonbon; gut, wenn ein großes Museum seinen Etat auf so etwas wenden wolle, dann mochte das wohl seine Richtigkeit haben, aber dafür auch noch Sponsorengelder aufzutreiben und das womöglich gar mit
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