Das Blutgericht
des Porsche auf. Der Mann hatte die Augen eines Killers. Selbst wenn es sich nur um einen Doppelgänger handeln sollte – Dantalion musste es herausfinden. Vielleicht würde er ihn sogar töten müssen.
Einen guten Kilometer später kam Dantalion am Haupteingang des Jorgenson-Anwesens vorbei. Er hatte es so sehr darauf angelegt, den Porsche einzuholen, dass er ihn fast verpasst hätte. Das Fahrzeug parkte vor dem Haupteingang. Die beiden Insassen des Porsche redeten mit Jorgensons Wachpersonal auf der anderen Seite des Zauns. Er erhaschte nur einen kurzen Blick und konnte sich nicht sicher sein, ob der kleinere der beiden Männer tatsächlich der von letzter Nacht war. Er stand mit dem Rücken zu Dantalion und trug andere Kleidung. Aber etwas fiel ihm auf: das Gesicht eines der Wachmänner. Dantalion erkannte ihn wieder. Der Typ mit dem Bürstenschnitt. Er war einer der Männer, die gestern seinen Klienten Petre Jorgenson begleitet hatten. Einer der beiden, die im Bayside Park in Miami Interesse an der Statue des Christoph Kolumbus geheuchelt hatten.
Zählte er eins und eins zusammen, konnte es dafür nur eine Erklärung geben. Bürstenschnitt hatte Petre begleitet. Der hatte ihn beauftragt, Jorgenson und Dean zu töten. Ein Fremder war aufgetaucht und hatte ihn beinahe getötet. Ein Fremder, der mehr als eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Auftragskiller aufwies, der gerade mit dem Bürstenschnitt-Typen sprach. Das konnte nur eins bedeuten: Dantalion war von Petre in die Falle gelockt worden.
Er wendete den Minivan.
Raste zurück in nördlicher Richtung.
Er ließ das Fenster herunter, zog seine Beretta und hielt sie aus dem Fenster.
Von Zeit zu Zeit war ein guter alter Drive-by genau das probate Mittel.
Er ging vom Gas, als er sich erneut dem Eingangstor näherte. Hielt die Pistole fest gegen den Fensterrand gedrückt.
Aber er kam zu spät.
Der Porsche war bereits auf dem Gelände und folgte einer silbernen Limousine auf der Zufahrt. Weitere Männer stiegen in einen zweiten silbernen Wagen. Bürstenschnitt war einer von ihnen. Ein einzelner Wächter stand neben einer Schaltkonsole, das Tor schloss sich gerade. Dantalion zog die Beretta gerade zurück, als der Wachmann in seine Richtung sah. Dantalion nickte ihm zu, als sei er ein Tourist, der die Ausfahrt genoss und alle grüßte, die ihm unterwegs begegneten. Dem Wächter fiel es nicht einmal auf. Dantalion beschleunigte wieder.
Gelegenheiten wie diese boten sich nicht allzu oft. Und er hatte sie verpasst. Aber an diesem Abend würde sich eine weitere Möglichkeit eröffnen, und dieses Mal würde er sie nicht verpassen.
17
»Wer sind Sie?«
Mir wurde immer wieder die gleiche Frage gestellt. Es war wohl an der Zeit, dass ich mich etwas deutlicher erklärte, statt einfach nur meinen Namen zu nennen und zu sagen, dass ich hier war, um zu helfen. So viel hatte Marianne schon verdient.
»Mein Name ist Joe Hunter«, sagte ich.
»Also haben Sie nicht gelogen.« Ich verstand nicht genau, wie sie das gemeint hatte. Sie fuhr fort: »Als Sie sich gestern vorstellten, sagten Sie, Ihr Name sei Joe.«
»Mit dem anderen, was ich sagte, habe ich auch nicht gelogen.«
»Dass Sie hier seien, um zu helfen?«
Wir befanden uns in einem Zimmer neben der Bibliothek. Rink leistete Bradley, Seagram und dem dritten Mann Gesellschaft. Ich hoffte nur, dass Rinks Übellaunigkeit keine Konfrontation hervorrief, bevor ich Marianne von unseren guten Absichten überzeugen konnte.
Sie hatte sich verändert, seit ich sie zum letzten Mal gesehen hatte.
Sie trug schwarze Hosen und Pumps und eine hellbeige Bluse. Aber das meinte ich nicht.
Sie sah anders aus.
Ihr hellbraunes Haar trug sie nun offen, es war voller Volumen, als ob es erst vor kurzem geföhnt worden war. Ihre Haut wirkte rosig, und sie umgab ein Duft, der eher von Seife als von teurem Parfüm stammte. Ich schätzte, dass sie lange und heiß geduscht hatte. Nach ihrer Flucht aus dem Haus auf Baker Island musste ihre Kleidung nach Rauch, Staub und Schutt gestunken haben. Aber das war nicht das, was sie hatte wegschrubben wollen. Man konnte sich so oft waschen, wie man wollte, aber um sicher zu sein, musste man die Erinnerungen aus dem Gedächtnis löschen. Manchmal war das nötig, um den Gestank des gewaltsamen Todes loszuwerden.
Sie saß auf dem Rand eines Schreibtischs und ließ ihre Füße baumeln. Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Eine widersprüchliche Körpersprache: Sie war das junge unschuldige
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