Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
ich es vielleicht auch dann nicht hätte abwehren können, hätte ich es versucht.
Sie traf mich hart am Wangenknochen … härter als so mancher andere. So viel also dazu, dass sie alt und gebrechlich geworden war.
»Ich habe mich ehrenhaft verhalten«, teilte ich ihr empört mit, während sie die geballte Faust sinken ließ und ich meine Wange rieb. »Ich wusste, dass es dir nicht gefallen wird, aber das habe ich nicht verdient, ich tat damals das Beste, was ich konnte!«
»Nein«, sagte sie leise, während sie mich musterte, als hätte sie mich noch nie zuvor gesehen. »Das tatest du nicht. Du hättest mich fragen können, ob es auch so ist.«
»Und woher hättest du das wissen sollen? Selbst deine Grußmutter wusste es nicht zu sagen!«
»Aber ich.« Sie griff an den Kragen ihres kostbaren Gewands und zog es zur Seite, zeigte mir an ihrem Hals ein kleines Muttermal, das einer Kröte glich. Ich wusste davon, hatte sie sogar einmal deshalb aufgezogen, sie gefragt, ob sie auf einen Prinzen warten würde. »Ich wusste nicht, dass du der Mann warst, von dem meine Mutter und auch meine Großmutter in ihren Tagebüchern schrieben«, fuhr sie leise fort. »Aber in diesen Tagebüchern fand ich die Antwort, die du gesucht hast. Meine Großmutter erwähnte in einem ihrer Tagebücher dieses Muttermal am Hals ihres Mannes … ihres Gemahls, nicht ihres Liebhabers. Auch sie hat einen Witz daraus gemacht. Meine Mutter hatte dieses Mal nicht, aber bei mir erschien es wieder.« Ihre Augen waren wieder feucht, erneut wischte sie diese verärgert ab und hob das Kinn. »Wenn dies dein Grund war, dann hast du einen Fehler gemacht. Ich hoffe nur, dass du ihn jetzt von Herzen bereust.«
Ich wollte etwas sagen, doch sie hob die Hand und stolz das Kinn, um mich mit einem herrschaftlichen Blick in meine Schranken zu weisen. »Nein«, wehrte sie heiser ab. »Nichts weiter von dir. Kein Wort, ich muss mich erst einmal sammeln … und überlegen, ob ich für uns weinen oder dich ermorden soll.« Sie warf einen Blick in die Runde, auf die große Halle, die vielen Menschen darin. »Genieß das Fest«, fügte sie noch mit belegter Stimme hinzu. »Sie hat es für dich gegeben.« Ich versuchte sie zurückzuhalten, doch sie riss sich los und eilte davon.
»Das lief nicht gut für dich«, hörte ich eine weiche Stimme … und als ich mich umdrehte, stand dort Sieglinde mit zwei Bechern in ihren Händen. »Es tut mir leid, dass ich gelauscht habe«, sagte sie bedrückt und reichte mir den einen Becher. »Ich war nur neugierig, wollte wissen, wer diese Sera ist.«
»Wie konntest du uns überhaupt belauschen?«, fragte ich heiser, während ich den Becher wie ein Verdurstender ergriff. »Du standest doch dort drüben?«
»Ich konnte deine Lippen lesen und zum Teil auch ihre. Janos hat es mir beigebracht«, gestand sie. »Zudem gab mir Zokora einen Segen, der es mir erlaubt, fremde Sprachen zu verstehen, beides zusammen machte es mir möglich, euch zu belauschen … wofür ich dich jetzt um Verzeihung bitten will, es war falsch von mir, ich hätte mich abwenden sollen, als ich verstand, worum es ging. Also warst du der Schreiner, der Elfred die Treppe hinunterwarf?«
»Möbeltischler«, seufzte ich. »Aber offenbar kennt niemand darin den Unterschied. Ich warf ihn auch nicht … ich ließ ihn nur fallen.«
»Es gibt eine Spottballade darüber«, sagte sie leise. »Die, in der Elfred eine Eselsmütze trägt.«
»Ja, ich erinnere mich. Es wäre mir recht, wenn es keine neue Ballade geben würde, Sieglinde. Die eine ist schon schlimm genug, und ich bin froh, dass sie nicht mehr gesungen wird.«
»Das würde ich nicht tun«, sagte sie voller Ernst. »Dein Geheimnis wird mit mir sterben.« Sie wandte sich ab, als ob sie gehen wollte, doch dann drehte sie sich noch einmal um zu mir. »Willst du einen Rat?«, fragte sie mich leise.
»Eigentlich nicht«, antwortete ich und hob den Becher an. »Aber danke dafür.«
»Du sahst aus, als würdest du ihn brauchen. Hättest du sie geehelicht?«
»Ich weiß es nicht. Hätte ich gewusst, was ich jetzt weiß … vielleicht … vielleicht ja. Wie sie sagt, es gab nichts, das gegen uns gesprochen hätte.« Und vieles, was dafür gestanden hat, gab ich mir selbst zu. »Also, ja. Wahrscheinlich.«
»Dann sage ihr das, Havald«, meinte sie. »Und wenn du nun bereust, was nicht geschehen ist, dann sage ihr auch das. Es wird ihr genügen.«
Ich sah ihr nach, wie sie sich den Weg durch die Menge
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