Das Blutschwert
sie sie verlor, wenn auch nur einem von ihnen wegen ihr, der Jägerin, etwas zustieß, dann würde sie sich das niemals verzeihen. Niemals.
So muss es Angel gehen, erkannte sie. Er hatte nicht nur geliebte Menschen verloren, sondern sie selbst getötet.
Sie riss sich zusammen und lief zum Krankenwagen. Xander lag angeschnallt auf der Pritsche. In seinem rechten Arm steckte bereits eine Infusionsnadel, und eine Sauerstoffmaske bedeckte sein Gesicht.
»Ich komme mit«, sagte Cordelia entschlossen und stieg in den Krankenwagen.
»Ich auch«, erklärte Buffy und kletterte hinterher.
Cordy seufzte. »In Ordnung, ich kann mein Auto hier nicht einfach stehen lassen, also komm, wir fahren.« Sie stieg wieder aus und Buffy folgte ihr.
Diese Fahrt in Cordelias Auto unterschied sich deutlich von allen anderen. Nicht, dass Cordelia vorsichtiger oder besser fuhr als sonst. Aber diesmal sagte Buffy nichts. Sie war voll und ganz mit ihrer Angst beschäftigt. Angst, dass Xander sterben würde, obwohl es im Moment so aussah, als würde er nach einer Transfusion und ein paar Tagen Bettruhe wieder auf den Beinen sein. Angst, dass Willow vielleicht schon tot war. Und das alles, weil sie sich nicht genug auf die Suche nach dem Vampir konzentriert hatte, der die neue Welle von Schreckenstaten organisierte, die Sunnydale derzeit heimsuchte.
Aber da war noch eine andere Befürchtung, die Buffy quälte. Eine, die sie am liebsten ignoriert hätte, die sich ihr aber in ihrer Logik immer stärker als Gewissheit aufdrängte. Die Befürchtung, dass sie tatsächlich Willow in der vergangenen Nacht auf dem Friedhof gesehen hatte.
Jetzt war Willow verschwunden und hatte nichts weiter als eine Entschuldigung zurückgelassen. Eine Entschuldigung wofür?
Buffy glaubte es zu wissen, und ihr Verdacht machte sie ganz krank vor Angst: Vampirische Besessenheit. Gestern Nacht war es ihr nur wie eine Theorie erschienen. Doch mittlerweile wuchs sich diese Theorie zu einer der schrecklichsten Möglichkeiten aus, die sie sich vorstellen konnte.
Trotz der technologischen Fortschritte, die Futuristen wie H. G. Wells und George Orwell in Staunen versetzt hätten, war es den Wissenschaftlern der Welt immer noch nicht gelungen, eine internationale Telefonverbindung ohne diesen hohlen, blechernen Klang herzustellen, den Giles als so störend empfand. Es hatte ihn mehrere Anrufe gekostet, um die Telefonnummer in Erfahrung zu bringen, nach der er suchte, und als er sie endlich in den Händen hielt, zögerte er, sie zu wählen.
In Sunnydale war es gerade Mittag. Aber in Tokio, Japan, war es fünf Uhr morgens. Ihm gefiel der Gedanke nicht, einen dreiundsiebzig Jahre alten Mann im Morgengrauen aus dem Schlaf zu reißen. Aber schließlich hatte er keine andere Wahl und auch keine Zeit für Höflichkeiten.
Als Giles die Nummer gewählt hatte und das Freizeichen ertönte, seufzte er erleichtert. Hohl und leise, ja, aber wenigstens ohne dieses grauenhafte Echo, das internationale Ferngespräche manchmal begleitete und ein normales Gespräch fast unmöglich machte.
Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Klicken, als der Hörer abgenommen wurde. »Mushimushi?«
»Ohayo gozaimasu«, sagte Giles. Er konnte bloß ein paar Brocken Japanisch, und selbst die kamen nur außerordentlich mühsam über seine Lippen. »America kara, Giles desu.«
»Ah, der geschätzte Professor Giles«, antwortete der Mann in perfektem Englisch. »Hier ist Kobo. Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen. Ihr Japanisch ist ausgezeichnet, aber wenn Sie einverstanden sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meine zugegebenermaßen bescheidenen Englischkenntnisse anzuwenden. Man gerät sonst so schnell aus der Übung.«
Giles lächelte trotz des Ernstes der Lage. Diese Höflichkeit beherrschten nur die Japaner. Kobo hatte direkt erkannt, wie schlecht es um Giles’ Japanisch bestellt war und ihm mit seinem freundlichen Angebot, das er nur auf die eigenen Schwächen und nicht auf die
Unfähigkeit seines Gesprächspartners bezog, aus der Bredouille geholfen.
Die japanische Kultur unterschied sich so grundlegend von den westlichen Kulturen, seiner eigenen eingeschlossen, dass es Giles manchmal schwer fiel, diese Andersartigkeit in ihrem ganzen Ausmaß zu begreifen.
Kobo war Traditionalist. Giles musste bei diesem Gespräch sehr behutsam vorgehen, wenn er den alten Mann nicht beleidigen wollte. Allerdings hatte er das Gefühl, dass er als Brite einen gewissen Vorteil hatte, da er
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