Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
und versuchte, vor ihm davonzukriechen. Seine Augen weiteten sich in Entsetzen. Kaum hörbar brachte er hervor:
    »Geh… weg! Du bist… ein Dämon! Du hast… Macht über sie!«
    »Solch ein Unsinn!« Luxon hielt ihn fest und versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu verleihen. »Ich habe die Drachen nicht gerufen, wenn du das meinst. Warum mußtet ihr uns auch…?«
    Angreifen? Die Valunen hatten mit dem Kampf begonnen. Luxon sah, daß er nichts mehr für den Bärtigen tun konnte. Er war kein Heiler.
    »Der… König wird… euch strafen«, flüsterte der Sterbende. »Andraiuk wird…«
    »Sag mir, welches Land dies ist«, bat Luxon ihn.
    Der Krieger schloß für einen Moment die Augen. Seine Schmerzen mußten unerträglich sein.
    »Du… weißt es nicht?«
    »Ich sagte euch, daß ich erst vor kurzem zu den Valunen kam!«
    Der Krieger schien ihn schon gar nicht mehr zu hören. Wie zu sich selbst, flüsterte er:
    »Dies ist Ayland. Unser… König ist Andraiuk der Zornige. Und sein… Zorn wird euch… treffen. Noch hat er die Macht im Reich. Noch… ist er kein Sklave des Shallad…«
    Der Kopf des Bärtigen sank zur Seite. Seine Augen waren wieder offen, doch ihr Blick war gebrochen.
    Luxon stand auf, drehte sich zu den Valunen um, die auf den Toten blickten, als erwarteten sie, daß er noch einmal zum Leben erwachte und weitersprechen konnte. Für sie waren seine Worte nichts anderes als eine ganz besonders erregende Geschichte gewesen. Luxon schrie sie an:
    »Ihr kleinen Bestien! Ihr habt ihn getötet, zuerst mit den Schleudern und dann mit eurer Gier!«
    Sie blickten ihn unschuldig an.
    Luxon hatte endgültig genug von ihnen. Er begann zu rennen, fort von ihnen, nur fort, ganz egal wohin. Noch nie hatte er von Ayland gehört, nie von Andraiuk dem Zornigen. Wie weit hatte er sich auf seinem langen Irrweg durch die Düsterzone vom Shalladad entfernt?
    Er kam nicht weit. Zwar konnten die Zwerge nicht annähernd so schnell laufen wie er, doch ihre Steine holten ihn ein. Am Hinterkopf getroffen, brach Luxon zusammen und blieb bewußtlos liegen.
    Er spürte nicht, wie er angehoben und fortgeschleppt wurde, zurück in die Düsterzone, zurück zur Senke, zurück zum Erzählerfelsen.
    Unsichtbare Augen, hoch in den wallenden, schwarzen Nebeln, beobachteten den Zug. Und bald darauf wußte Quida, die Hexe, vom vereitelten Fluchtversuch des Verhaßten. Sie war es gewesen, die ihre Drachen ausgeschickt hatte, und sie war zufrieden mit ihnen.
    Es wurde Zeit, daß sie sich nun selbst um den Sterblichen kümmerte.
     
     
    4.
     
    Drei Tage waren vergangen. Luxon saß wieder auf dem Erzählerfelsen und fühlte seine Kräfte dahinschwinden. Als die Valunen ihn in die Senke zurückbrachten, waren die sechs Graupferde inzwischen in ihren Pferch zurückgekehrt. Die Wiederkehr wurde sogleich mit einem Festmahl gefeiert, bei dem der in Ungnade gefallene Hordenführer zuschauen mußte. Die Aussichten, von hier zu entkommen, waren für Luxon nun schlechter denn je. Zu essen und trinken bekam er nur, wenn er vorher eine Geschichte erzählte. Und danach hatte er kaum noch die Kraft, von den Brocken, die ihm die Zwerge hinwarfen, abzubeißen. Zwar war er nach wie vor ihr Häuptling, doch jetzt hatte er es sich wohl ein für allemal mit ihnen verdorben. Sie hörten nicht auf, sich gegenseitig aufzusagen, wie schändlich er sie betrogen hatte.
    Luxon war nahe daran, alle Hoffnung aufzugeben.
    Oft schlief er auf dem Weg zur Höhle ein, wenn er den Aufstieg nicht mehr schaffte. Schlimme Träume plagten ihn. Er magerte zusehends ab und konnte kaum noch klare Gedanken fassen. Wie eine Traube waren die Zwerge nun immer um ihn herum. Selbst wenn er schlief, hockten sie bei ihm und ließen ihn nicht aus den Augen.
    So kam es, daß Luxon das Mädchen erst sah, als die Valunen es schon in die Senke gebracht und auf den Erzählerfelsen gehoben hatten.
    Er lag wieder einmal auf halber Höhe des Abhangs und erwachte vom Gezeter und Geschrei der Zwerge. Schon glaubte er, daß sie ihn holen wollten, um neue Geschichten zu hören. Doch er war allein. Keiner von ihnen kümmerte sich mehr um ihn.
    Luxon rieb sich über die geröteten Augen und sah das Wunder.
    Unbeholfen richtete er sich auf und ging unsicheren Schrittes auf den Felsen zu.
    Dort oben, wo er so viele Stunden voller Qual verbracht hatte, saß nun wahrhaftig ein Kind! Das Mädchen trug ein Kleid aus Lumpen und weiße Strümpfe mit mehr Löchern als Maschen darin.
    Aber wie kam ein

Weitere Kostenlose Bücher