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Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Mutter hatte oft mitanhören können, wie sich der Zauberer mit ihnen unterhielt. Sie lernte, die Drachensprache zu verstehen und lehrte sie mich in vielen, vielen Stunden. Die Drachen wurden zu unseren einzigen Freunden. Und… und eines Tages hieß Cyrle mich auf einen von ihnen steigen, um mich von ihm aus dem finsteren Land tragen zu lassen, zum Reich meines Vaters. Aber der Drache gehorchte mir nicht. Er trug mich hierher, wo ihr ihn…«
    »Wo wir ihn abgeschossen haben!« jauchzten die Valunen. Sie sprangen auf und umtanzten den Felsen wieder. Steine flogen hoch in die Luft. Das Mädchen wurde wie eine Königin gefeiert.
    Und genau das war sie nun auch. Spätestens jetzt wurde dies Luxon klar. Er wurde nicht mehr gebraucht. Die Zwerge hatten jemanden gefunden, der aufregendere Geschichten erzählen konnte als er.
    Mit hängendem Kopf stieg er den Pfad zur Königshöhle hinauf, nachdem er eingesehen hatte, daß die Valunen ihn nicht an das Kind heranlassen würden, das sprach wie eine junge Frau. Er spürte, daß es von einem Geheimnis umgeben war. Vielleicht hatte es noch nicht alles gesagt.
    Welcher mächtige König sollte ihr Vater sein? Einer, den er kannte? Wußte sie am Ende gar zu sagen, wohin er sich verirrt hatte?
    Luxon, der mehr Abenteuer und Kämpfe bestanden hatte als fast jeder andere Mann, der sich immer wieder mit List und Schlauheit durchs Leben geschlagen hatte, war todmüde. Es war ganz und gar unsinnig, sich von diesem kleinen Mädchen Hilfe zu erwarten. Die Valunen würden sie nie wieder freigeben. Und ihn?
    Was taten sie mit Häuptlingen, die nicht mehr gebraucht wurden?
    Ihn fröstelte. Luxon erreichte die Höhle und warf sich völlig ermattet auf das Lager, das ihm die längste Zeit gehört haben dürfte. Aber hier wollte er liegenbleiben, bis die Zwerge kamen und ihn holten.
    Er erschrak vor sich selbst.
    Was sollte er denn tun? Kämpfen, bis ihn wieder ein Stein traf? Oder auf ein Wunder warten?
    Luxon blieb liegen, mit sich selbst im Hader. Vielleicht würden sie ihn wahrhaftig ziehen lassen. Er wollte es versuchen, wenn er erst wieder bei Kräften war. Dazu mußte er essen und trinken – und schlafen.
    Er kam nicht dazu. Eine Handvoll Valunen erschienen mit dem Mädchen im Eingang und forderten ihn auf, sich davonzumachen. Luxon vergaß alles, was ihm durch den Kopf gegangen war, und warf einen Krug nach den Zwergen.
    »Laßt mich in Ruhe!« knurrte er. »Oder laßt mich meiner Wege gehen!«
    »Du bist nicht mehr Häuptling«, erhielt er zur Antwort. »Sie ist unsere Königin, und du sollst ihr Sklave sein!«
    Luxons Unterkiefer klappte herab. Er mußte sich verhört haben. Die Wut, die er eben noch auf sich selbst gehabt hatte, richtete sich gegen die Valunen. Er sah eine Holzlatte neben dem Lager, griff schnell danach und hieb sie dem Halsbandträger über den Schädel.
    Später wußte er nicht zu sagen, woher die eben noch unbewaffneten Valunen plötzlich ihre Schleudern genommen hatten. Doch jetzt richteten sie sie auf ihn, hatten schon die Steine eingelegt und spannten sie.
    Luxon stieß einen Schrei aus, trat drei Zwergen die Waffen aus der Hand und warf sich in eine Ecke der Höhle. Sie setzten ihm im Handumdrehen nach und waren über ihm. Gerade als sie ihre Geschosse auf ihn abfeuern wollten, gebot das Mädchen ihnen Einhalt.
    Überrascht drehten sie sich zu ihr um. Sie kam näher und hockte sich schützend vor Luxon.
    »Laßt ihn in Ruhe«, sagte sie. »Laßt mich mit ihm allein.«
    Luxon glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als die Valunen ohne Widerspruch gehorchten. Das kleine Geschöpf mußte sie nach allen Regeln der Kunst behext haben.
    Sie ging ihnen nach bis zum Eingang. Erst als ihre Stimmen nicht mehr zu hören waren, kam sie zu Luxon zurück.
    Sie sah ihn aus blinden Augen an. Dabei bewegte sie sich zwar tastend, aber doch unglaublich sicher. Wieder hockte sie sich zu ihm.
    »Wer bist du wirklich?« fragte Luxon.
    »Dai. Ich bin Dai.«
    »Dann höre gut zu, Dai. Ich denke nicht daran, dein Sklave zu sein.«
    Im nächsten Augenblick bereute er die Härte, mit der er gesprochen hatte. Sie war doch ebenso verloren wie er. Und ihr hatte das Schicksal noch viel übler mitgespielt.
    Glitzernde Tränen traten in die geblendeten Augen des Kindes und rollten an seinen Wangen herab. Luxon konnte nicht anders – er nahm Dai in seine Arme und drückte sie an sich.
    »Ich… ich will ja gar nicht, daß du mein Sklave bist«, schluchzte sie. »Ich will nicht

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