Das böse Auge
Hornbögen der Tiere wie in Zielkerben liegend, zeigten nach wie vor auf sie und Luxon. Der ehemalige Meisterdieb konnte die geschrienen Worte verstehen. Sie klangen verfremdet, waren aber Gorgan.
Der Anführer ließ sein Tier auf Luxon zutraben. Dann, als dieser die Hände ausstreckte und etwas rufen wollte, schnalzte der Krieger zwei-, dreimal schnell hintereinander mit der Zunge. Im nächsten Augenblick hob das Reittier den Kopf und spuckte.
Eine klebrige Masse klatschte gegen Luxons Stirn. Luxon war so überrascht, daß er einen Schritt zurücktaumelte, bevor er sich die Spucke angewidert mit einem Ärmel abwischte.
Zornig fuhr er den Krieger an:
»Ist das eure Art, fremde Wanderer zu begrüßen? Was seid ihr? Wegelagerer?«
Der Krieger lachte schallend. Mit einem schnellen Seitenblick auf die fünfzig Valunen überzeugte sich Luxon davon, daß sie noch keine Anstalten trafen, die Reiter mit ihren Schleudern aus den Sätteln zu holen. Zwar wollte er sie loswerden, doch bei einem Kampf mußten sie trotz ihrer zahlenmäßigen Übermacht unterliegen. Luxon wollte kein Gemetzel. Es mußte einen anderen Weg geben. Und noch schienen sie abzuwarten, was er tat.
Natürlich! durchfuhr es ihn. Sie sind die Herde, ich bin ihr Leithammel! Wenn er Glück hatte, konnte er nicht nur ihre Köpfe retten. Er machte ihnen beschwichtigende Zeichen, in der Hoffnung, daß sie sie verstanden. Wieder wandte er sich an den Anführer der Fremden, der ihn abwartend anblickte. Luxon hatte das Gefühl, daß diese Männer sich ihrer Sache völlig sicher waren.
»Du verstehst mich doch, oder?« rief er. Er breitete die Arme aus und zeigte die leeren Handflächen. Das Steinmesser steckte in seinem Gürtel. »Warum haltet ihr uns auf? Wir sind unterwegs, um uns Graupferde zu holen, und wollen nichts von euch. Die Valunen…«
»Die Valunen kennen wir gut«, schnitt ihm der Krieger das Wort ab. Er sprach mit dunkler Stimme, die gut zu seiner stämmigen, überaus muskulösen Erscheinung paßte. »Dich dagegen nicht. Du stammst nicht aus dieser Gegend und gehörst auch nicht zu den Düsterleuten.«
Luxon überlegte fieberhaft, was er zur Antwort geben sollte. Ein falsches Wort, und die Valunen gerieten außer Kontrolle. Er mußte dabei bleiben, daß er ihr »Häuptling« war. Sollten die Krieger sie alle gefangennehmen und in ihr Dorf oder ihre Stadt schaffen. Dort würde sich bald eine Gelegenheit finden, ihnen die Wahrheit zu sagen und freizukommen.
»Du hast ein gutes Auge«, rief er also. »Ich kam zu den Valunen und wurde ihr Hordenführer.«
»Es wäre besser für dich gewesen, du wärst auch bei ihnen geblieben, Freund – in der Düsterzone. Hier ist kein Land für euch!«
»Es mag sein, daß sie euch in der Vergangenheit beraubten«, entgegnete Luxon. »Aber nehmt mein Wort, das wird nicht mehr der Fall sein. Wir wollen nur Graupferde, um nicht verhungern zu müssen.«
Luxon sah, wie die Bärtigen sich angrinsten. Nahmen sie ihm seine haarsträubende, zur Schau getragene Einfältigkeit ab?
»Auch die Graupferde gehören uns!« Der Anführer spannte den Hornbogen. »Du bist also ihr Häuptling. Dann wirst du ihnen jetzt sagen, daß sie ihre lächerlichen Schleudern und die Messer fortzuwerfen haben und besser keinen Widerstand leisten. Ihr seid unsere Gefangenen. König Andraiuk wird es sich nicht nehmen lassen, selbst das Urteil über euch zu sprechen.«
König Andraiuk? Nie hatte Luxon diesen Namen vernommen. Hatte er sich wahrhaftig so weit von Logghard und der bekannten Welt entfernt?
Luxon war nichts lieber, als von den Kriegern gefangengenommen zu werden. Als er noch überlegte, wie er das den Valunen klarmachen sollte, zeigte sich, daß diese völlig anderer Ansicht waren.
Sie stoben auseinander, waren plötzlich überall vor, zwischen und hinter den Reitern und verschossen mit ihren Schleudern kleine Steine. Dabei erscholl ein ohrenbetäubendes Gekreische. Die Hälfte der fremden Krieger war aus den Sätteln, bevor die Zwerge neue Steine einlegten. Luxon ahnte, was kam, und warf sich flach auf den Boden. Der Pfeil des Anführers verfehlte ihn nur knapp und blieb sirrend im weichen Grund stecken. Bevor einer der anderen Reiter auf ihn anlegen konnte, waren die Valunen um ihn herum und bildeten eine schützende Mauer.
Doch nun waren die Reiter gewarnt. Jene, die noch zwischen den beiden Höckern ihrer Tiere saßen, jagten diese im Kreis um die zusammengedrängten Valunen herum und verschossen ihre Pfeile. Luxon sah
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