Das boese Blut der Donna Luna
einer Zeit stammen, in der sein Besitzer mindestens fünfzehn Kilo mehr gewogen hatte. Er musterte Marco vorwurfsvoll, sein schiefes, verstörtes Gesicht, die Zigarette zwischen seinen Fingern, die Asche, die auf den Teppich fiel.
»Ich weiß zwar nicht, wer Sie sind, Signore, aber in diesem Haus wird nicht geraucht. Oder sehen Sie irgendwo einen Aschenbecher?«
Von der leicht gebrochenen, aber energischen und entrüsteten Stimme des Alten zur Ordnung gerufen, suchte Marco hektisch nach etwas, worin er die Zigarette verschwinden lassen konnte, doch vergeblich. Mit gemessener Geste öffnete der Alte die Tür einer der beiden Bücherschränke und nahm einen bronzenen Gegenstand heraus, dessen Funktion zwar nicht ersichtlich war, der jedoch zum Ausdrücken einer Zigarette dienen konnte, und hielt ihn ihm hin. Übertrieben gründlich drückte Marco den Stein des Anstoßes an der Metalloberfläche aus und stellte sich vor.
»Vizekommissar Marco Auteri von der Genueser Polizei, ich habe einen Termin bei Avvocato Federico Manara.«
»Ah, bei Chicco«, sagte der Alte leicht angewidert und stellte sich seinerseits salbungsvoll vor.
»Professor Lucrezio Manara, ich bin der Onkel. Und was will unsere Polizei von diesem Schwachkopf von einem Neffen?«
Marco traute seinen Ohren nicht ob dieser Äußerung, die so wenig zu der würdevollen Erscheinung seines Gegenübers passen wollte, doch ehe er in die Verlegenheit kam, darauf etwas erwidern zu müssen, erschien Federico Manara selbst, gerade noch rechtzeitig, um das wenig schmeichelhafte Urteil seines Onkels zu hören, und errötete leicht. Marco fiel sofort die eklatante Ähnlichkeit zwischen den beiden auf. Federico Manara sah aus wie der Alte, nur vierzig Jahre jünger. Einzig sein ruheloser, ausweichender Blick unterschied sich von dem festen, stechenden des Onkels und verlieh seinem Gesicht etwas Weichliches, Unstetes.
»Guten Tag, Onkel, würde es dir etwas ausmachen ...«
»Schön, dann auf Wiedersehen, Dottor Auteri.« Der alte Herr verschwand, wie er gekommen war, und ließ die Tür offen, die Manara hastig zudrückte.
»Vizekommissar Auteri, sehr erfreut.«
»Sehr erfreut, Dottore, seit Ihrem Anruf habe ich mich gefragt, was der Grund Ihres ... Hausbesuches sein könnte.«
»Logistik, sonst nichts, ich sagte Ihnen ja bereits, dass ich mehrere Termine hier in der Gegend habe, und da ich mit Ihnen sprechen wollte und Sie so freundlich waren ...«
»Na schön. Und, was gibt es?«
Er forderte Marco nicht auf, sich zu setzen, und warf einen vielsagenden Blick auf die Uhr. Offenbar wollte er die Sache schnell erledigt wissen. Marco nahm unbeirrt auf einem der hochlehnigen, ledernen Polsterstühle Platz und setzte sich bequem zurecht. Manara verstand den Wink und ließ sich mit einem ungehaltenen Schnauben auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch nieder, der wuchtiger als die anderen war und Armlehnen hatte, eine Art kleiner Thron.
»Der Grund meines Besuches ist Flores Echevarría, Avvocato.«
»Ich verstehe nicht.«
Die grauen Äuglein hinter den dicken Brillengläsern waren, soweit überhaupt möglich, noch kleiner geworden. Manara drückte sich gegen die hohe Rückenlehne, blinzelte und wiederholte mit einem Räuspern: »Ich verstehe nicht ...«
»Sie kannten sie, oder nicht?«
»Natürlich kannte ich sie, sie hat ungefähr ein Jahr bei uns gearbeitet, ich habe ihr die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis besorgt, denn sie war eine fähige und fleißige Person.«
»Wirklich? Das ist alles?«
»Was soll das heißen, das ist alles? Eine Hilfsempfängerin wie andere auch, die für uns gearbeitet hat, Punkt. Und die uns, wie Sie bestimmt wissen, verlassen hat, um ... in die Schweiz zu gehen, glaube ich, aber Giuliano kann Ihnen gewiss mehr dazu sagen. Er hat sich mit ihr getroffen, außerhalb des Büros, meine ich.«
Er klang giftig, und seine Unruhe war nicht zu übersehen.
»Und Sie, Avvocato Manara, haben Sie sie nicht außerhalb des Büros getroffen? Ich habe da etwas ganz anderes gehört.«
Die Augen hinter der Brille hatten sich in zwei Schlitze verwandelt. Unmöglich zu erraten, was er dachte, doch ein Schaudern schien seinen Körper zu durchfahren, ein unmerkliches Beben, für das Marcos wunde, blankliegende Nerven empfänglich waren, da er dieses Beben und seine Ursache kannte: Verlust, Schmerz. Wut. Ruhig wartete er auf die Explosion, doch sie kam nicht.
»Ich weiß nicht, wer Ihnen so etwas erzählt hat. Mein Interesse für Signorina Echevarría
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