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Das boese Blut der Donna Luna

Das boese Blut der Donna Luna

Titel: Das boese Blut der Donna Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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standen schließlich vor dem gesuchten Gartentor, das in der hohen Mauer entlang dem engen, steilen, mit Ziegelsteinen gepflasterten Weg einen schmalen Durchlass bildete. Sie sahen auf das Namensschild aus angelaufenem Messing und auf den Namen der Villa jenseits des Tors, Villa Camelia. Eine kleine Kamera rechts oben überwachte den Eingang. Nelly pfiff leise.
    »Heiliger Bimbam, von wegen Unterkunft in Genua, unser Freund hat ’ne Supervilla hier. Was meinst du, ob die seiner Familie gehörte? Oder hat er sie von seinem Schriftsteller-Psychologen-Kriminologen-sonstwas-Gehalt gekauft?«
    »Das lässt sich herausfinden.«
    Sie klingelten. Kurz darauf erschien wie durch Zauberhand Palmieri am Tor. Er trug ein weißes Leinenhemd über ebenfalls weißen Leinenhosen. Sein Kopf wirkte noch größer als sonst. Er grüßte mit der ihm eigenen zerstreuten Höflichkeit, öffnete das Tor und schloss es hinter ihnen wieder.
    Villa Camelia machte ihrem Namen alle Ehre. Überall standen riesige Kamelienbüsche, die unter der sommerlichen Hitze bereits verblüht waren. Grüne Wiesen und hohe Bäume, meist Magnolien, in verschwenderischer, duftender Blüte. Die Fassade des grauen Gebäudes, das zu den Villen von Albaro gehörte, in die sich einst reiche Genueser Familien mit Dienerschaft, Kind und Kegel zur monatelangen Sommerfrische zurückzogen, war mit Jungfernreben bewachsen. Im ersten Stock, den hohen Fenstern nach zu urteilen die Beletage, waren die Läden geschlossen, ebenso im Dachgeschoss. Das pyramidenförmige Dach war schiefergedeckt. Sie stiegen ein paar Stufen hinauf und traten in eine große Eingangshalle, die wegen der ebenfalls zugezogenen Vorhänge in angenehmem Schatten lag. An den Wänden hingen riesige dunkle Gemälde, in der Mitte plätscherte ein Marmorbrunnen. Die Klimaanlage sorgte für eine erträgliche Temperatur. Eine ausladende Marmortreppe, die sich in zwei Aufgänge teilte, führte ins erste Stockwerk. Von der Halle gingen mehrere Türen ab.
    Alessandro Palmieri geleitete sie nach links in einen großen, schmucklosen Saal mit alten Gobelins an den Wänden und dicken Teppichen auf den abgelaufenen Bodenfliesen. Zwischen den hohen Fenstern ein Tisch mit einem umfangreich ausgestatteten Computer darauf, eine Truhe, in der Mitte ein niedriges weißes, kreisförmiges Ledersofa mit einer schmalen seitlichen Öffnung, darin ein weißes, rundes Marmortischchen auf vier Metallkugeln. Auf dem Tisch eine Karaffe mit geeistem Saft (Grapefruit?) und drei Kristallgläser.
    Auf dem Boden Papiere und Fotos der Verbrechen, mit Kreisen, Zeichen und Anmerkungen. Auf eine wortlose Geste des Hausherrn hin nahmen die beiden auf dem weißen Sofa Platz. Nelly ließ den Blick über die Wände bis zu der mindestens sieben Meter hohen Decke gleiten, auf deren dunkelblauem Grund goldene Sterne und ein silberner Mond leuchteten. Sie erinnerte an die Decke des Mausoleums der Galla Placidia in Ravenna. Dann entdeckte sie an der Wand zwischen den zwei Fenstern hinter dem Computer ein Bild. Eine junge, dunkle Schönheit blickte auf einen vielleicht achtjährigen, ebenfalls dunkelhaarigen Jungen hinunter, der zu ihren Füßen saß und zu ihr emporlächelte. Beide waren in strahlendes Weiß gekleidet. Die Frau hielt einen Korb roter Kamelien im Schoß. Der Hintergrund erinnerte an den Garten des Hauses. Natürlich, Villa Camelia.
    »Meine Mutter, Camélia De Lamanière, und ich. Sie war sechsundzwanzig, ich acht. Mein Vater war Diplomat und ständig in der Welt unterwegs. Er hat sie auf den Antillen kennengelernt und mit hierhergenommen. Hier eingesperrt«, fügte er nach einer winzigen Pause seelenruhig hinzu. Er war Nellys Blick gefolgt und hatte ihre Neugier befriedigt. Oder besser gesagt, sie geweckt.
    »Eingesperrt?«, rutschte es ihr denn auch unvermittelt heraus.
    »Gewissermaßen. Er war eifersüchtig auf ihre Jugend und ihre Schönheit. Sie war sechzehn, als er sie geheiratet hat, er war neunundfünfzig. Ein schwieriger Mann, der sich nur von Berufs wegen mit anderen Menschen abgab, ein unleidlicher, knurriger Brummbart. Sie dachte, sie könnte sich von den Zwängen ihrer Familie befreien und ein schillerndes Leben in den Botschaften der Welt und Europas führen. Doch nach ein paar Jahren an der Botschaft in Paris hat er seine Laufbahn vorzeitig beendet und sie hierher in das Haus seiner Familie gebracht, das er ihr zu Ehren in Villa Camelia umtaufte. Er hat überall Kamelien pflanzen lassen und die Tore verriegelt. Er

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