Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
kläglich er sich anhörte, und bemühte sich verzweifelt, seine widerstreitenden Gedanken in Einklang zu bringen. Seine Achtung vor der Autorität war angeboren, aber er wusste, dass die Polizei alles andere als unfehlbar war. W agte er, ihr die Zukunft seines Enkels anzuvertrauen? Jake verwandte alles, was er hatte, darauf, sich aufrecht zu halten. Er war alt genug, um stark zu sein, aber noch nicht so weit entwickelt, dass er die Anstrengung verhehlen konnte, die es ihn kostete. Rowan sah in dem Jungen schon den Mann, zu dem er wurde, verantwortlich, rücksichtsvoll und tüchtig, was desto eindrucksvoller war, wenn man die nachteiligen Umstände seiner Geburt bedachte. W ie konnten sie ihn aus der Bahn werfen, die er erst vor Kurzem eingeschlagen hatte?
Das Brummen eines Motors kam aus weiter Ferne. Ein neuer Gedanke kristallisierte sich zusehends heraus. Angenommen, sie würden der Polizei erzählen, was passiert war. Sie würden Jake ausliefern, den Beamten den Leichnam zeigen und ihnen sagen, wer Matt in W irklichkeit war… W as dann? Die Ermittlungen würden sich der Frage widmen, warum er die Familie mit seiner V endetta verfolgt hatte, und was dann herauskommen würde, war nicht abzusehen. Lydia hatte geschrieben, ihr liege weniger an der öffentlichen Meinung als an der Meinung ihrer Kinder, aber anscheinend war ihr nicht klar gewesen– sie hatte es zumindest nicht erwähnt–, dass ihre Kinder natürlich von ihren Taten erfahren würden, wenn sie an die Öffentlichkeit dringen sollten. W enn Jakes goldene Zukunft befleckt würde, wäre auch der Name MacBride davon betroffen. Rowans Gründe lagen tiefer als Prinzipien oder Stolz. Er wusste, was sie tun mussten.
» Wir können es als Familie regeln«, sagte er, als sie sich der Scheune näherten. » Wir brauchen ihnen nicht zu sagen, dass Jake irgendwie in die Sache verwickelt ist.«
Er hörte scharfes Einatmen, Schluchzen, einen trockenen, rauen Aufschrei, der vielleicht von Jake kam.
» Aber wie sollen wir…?«
» Ich denke nach, W ill!«
Licht kam jetzt zu dem Geräusch dazu. Blaue Blitze weit hinten in der Zufahrt verwandelten die nackten Äste in stählerne Gebilde. Selbst wenn sie langsamer als normal fuhren, würden sie in drei Minuten da sein. Die Familie betrat die Küche durch die Tür, die noch weit offen stand. Sophie ging geradewegs zu dem Babyfon auf dem Tisch. Das Display zeigte kein Geräusch an, aber sie hielt das Gerät trotzdem wie eine Muschel ans Ohr. » Ich kann sie hören«, sagte sie. » Ich kann sie atmen hören.« Sie sank am Kopfende des Tischs auf einen Stuhl. Im Licht der Leuchtstoffröhre unter der Decke sah Rowan zum ersten Mal, wie wüst sie aussahen. Kerry war viel stärker verdreckt, als man am Cottage hatte sehen können. Ihre Haut war blutbespritzt, und der Himmel wusste, was da alles in ihrem dunklen Pullover hing.
» Waschen Sie sich Hände und Gesicht, ja?«, forderte Rowan sie auf. Felix schob sie zur Spüle, und der Seifenschaum färbte sich rosa.
» Damit keine Missverständnisse aufkommen«, sagte W ill. » Wenn wir Jake von alldem abschirmen wollen, wie sollen wir dann den Toten oben am Cottage erklären?«
Die W erte, nach denen Rowan seine Familie erzogen hatte, waren zerstört worden. Er hatte nur noch Minuten, vielleicht Sekunden Zeit, sich neue auszudenken und sie an seine Kinder weiterzugeben. Die blanke Macht der Umstände inspirierte ihn. » Gar nicht«, sagte er.
Will war verdattert. » Rowan, das ist nicht dein Ernst.«
» Sie suchen ein Baby, keinen Mann.«
» Und wenn sie ihn befragen wollen?« W ill ließ nicht locker.
» Dann sagen wir, die Dinge haben sich überkreuzt, und er ist noch unterwegs auf der Suche. Und warum sollten sie ihn befragen wollen, wenn sie sehen, dass Edie hier ist? Aus welchem Grund sollten sie die Nebengebäude durchstöbern?«
» Aber er wird immer noch da sein«, sagte Tara.
» Ja…« Zwingt mich nicht, es auszusprechen, dachte Rowan. Schlimm genug, dass es getan werden muss. Bitte lasst es uns nicht auch noch in W orte fassen.
» Das können wir nicht«, sagte W ill, aber seine Stimme klang kraftlos in der Niederlage.
» Für Jake«, sagte Sophie. » Tara hat recht. Unsere Jungs hätten das Gleiche getan. Ich würde es nicht ertragen, wenn die Polizei auf unser aller Leben herumtrampelt.«
» Habe ich noch eine W ahl?«, fragte W ill.
» Liebling, bitte sei nicht so«, sagte Sophie. » Wenn wir es tun, müssen wir es zusammen tun. Du gehörst genauso
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