Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
verkündet hatte, waren dies die ersten Artilleriegeschütze, die John in seinem Leben hörte, und sein Herz machte einen Satz bei jeder donnernden Entladung. Er packte seine Krücke und gesellte sich zu Lucas Malone am Eingang des Zelts, wo ein Wachposten stand, der dafür zu sorgen hatte, dass sie im Lazarett blieben, wie Alonzo es angeordnet hatte. Das Lager war in heller Aufregung und dunstig von Geschossrauch. Sie sahen eine Geschützbatterie, etwa vierzig Yards von ihnen entfernt, und da war Handsome Jack Riley, der den Kanonieren Anweisungen gab, während ein mexikanischer Offizier zusah.
»Yiiiihaaa!« grölte Lucas. »Jack hat den Jungs das Schießen beigebracht, als wär das ein gottverdammter Revolver, so schnell schießen die. Ich hoffe nur, dass dieser verfluchte Kaufmann noch da drüben ist und ein Schuss ihn voll im Arsch erwischt! Gib’s ihnen, Jack! Schieß diesen scheiß Kaufmann in die Hölle!«
Der Beschuss dauerte bis Sonnenuntergang. Das letzte Geschoss quer über den Fluss war von großem Jubel der mexikanischen Soldaten begleitet, und von ihren heiseren Drohungen an die Yankees am anderen Ufer, dass noch mehr kommen würde.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit an jenem Abend kam Jack Riley sie besuchen. Er trug die Uniform eines mexikanischen Artilleristen, deren Kragenspiegel eine explodierende Bombe zeigte. Er grinste weißlich durch sein pulverrußiges Gesicht, setzte sich an den Fuß von Johns Bett und rieb sich, einen müden Seufzer ausstoßend, heftig das Gesicht. Verfluchte sie dann beide als faule Burschen und fragte, wann sie denn bereit seien, mit den San Patricios zu kämpfen.
»San Patricios«, sagte John. »Was ist das denn?«
»Die Kompanie des heiligen Patrick«, sagte Riley. »Hab sie selber aufgestellt. Taylor hat nämlich viel mehr Deserteure, als er zugegeben hat. Die Cantinas von Matamoros sind voll mit ihnen. Viele von denen sind bereit, sich den Mexies anzuschließen im Austausch für etwas eigenes Land – und unter der Bedingung, dass sie in derselben Truppe dienen können. Also hatt ich ’ne Idee, und es dauerte nicht lange, da war ich schon bei General Arista höchstpersönlich, um sie ihm zu erklären. Und Jungs, ihm hat die Idee gefallen und er hat mir sein’ Segen gegeben. Wirklich! Eine Kompanie aus Soldaten, die alle von der andern Seite kommen, beinahe alles Iren, die meisten sind Taylor abgehauen, aber einige sind selber hier runtergekommen. Ein paar sind in den Staaten geboren, aber die meisten kommen aus der alten Heimat. Wir ham auch ein paar Deutsche dabei, is ja klar – gibt keine Armee auf der Welt, die nicht ihre Deutschen hat, stimmt’s?« John hatte Handsome Jack noch nie so aufgeregt gesehen. »Es gibt ein paar verdammte Engländer bei uns, und ein paar Schotten, und sogar einen Burschen aus Kanada. Aber wie gesagt, die meisten sind Iren wie wir. Schon zweiundvierzig in der Truppe, und ich erwarte, dass wir noch viel mehr kriegen, sowie die Jungs genug davon haben, dass sie für die Yankees nix anders sind als irische Hunde, die man herumtritt.«
»Also, die San Patricios sind noch nicht amtlich, versteht ihr, aber bald. Das hat Arista mir selber gesagt. Muss nur noch der nötige Papierkram erledigt werden. Bis dahin sind wir die San Patricios. Wir tragen die Artillerieuniform der Mexies, aber wir werden unser eigenes Banner kriegen. Wisst ihr, wie uns die Mexies nennen? Colorados. Die Roten. Weil es so viele rothaarige Iren in dem Haufen gibt. Is das nicht ’ne Bombe?«
Er hielt inne und blickte sie mit schmalen Augen an. »Keiner von euch Burschen hat was zu meinem Abzeichen gesagt.« Er berührte das Offiziersmessing, das über dem Artillerie-Rangabzeichen an seinen Kragen befestigt war.
»Was bedeuten die denn, Jack?« fragte John mit einem Zwinkern zu Lucas Malone.
»Die bedeuten, dass ihr mich verdammt noch mal zu grüßen habt, das bedeuten sie«, sagte Riley mit breitem Grinsen. »
Lieutenant
Riley heißt es jetzt für euch beide, und ei’m Lieutenant steht immer ein Gruß von bloßen Sergeants zu.« Er strahlte sie an.
John und Lucas wechselten Blicke.
»Genau, Jungs, ich hab Sergeants gesagt«, sagte Riley. »Der befehlshabende Offizier ist natürlich ein Mexie, aber ein guter Bursche und ein verdammt prächtiger Soldat, und er lässt mich meine eigenen Unteroffiziere aussuchen. Ich werd euch Jungs bald für den Einsatz brauchen, also müsst ihr jetzt mal aufhören mit Simulieren, alle beide. Doc Alonzo sagt, er lässt euch
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