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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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dann war es John, der auf dem Hocker schrie. Alle schrien nacheinander, und bald trug jeder ein dunkles
D
auf seiner entstellten rechten Wange.
    Die Gefangenen bekamen dann Schaufeln und den Befehl, neun tiefe Gräber entlang der Kirche auszuheben. Sie schwankten und taumelten wie Betrunkene bei ihrer schmerzhaften Arbeit, sehr zum Vergnügen der gaffenden Soldaten, doch sie erfüllten ihre Aufgabe. Und als sie mit dem Graben fertig waren, hoben sie die neun Toten, die immer noch die Kapuzen über ihren Gesichtern trugen, in die Erde hinab und schaufelten sie zu.

Ihnen wurde befohlen, ihre Hemden wieder anzuziehen, und einige verzogen vor Schmerz das Gesicht bei der Berührung des Stoffes mit ihrem gehäuteten Rücken, aber nicht John, den Edward beobachtete. Als sie von der Plaza abgeführt wurden, brach ein Gefangener zusammen, und die Soldaten jubelten und skandierten: »Stirb! Stirb! Stirb!« Riley zog den Mann hoch und legte ihn sich über die Schulter und trug ihn. Andere sahen aus, als würden sie im nächsten Moment umkippen, schafften es aber, auf den Beinen zu bleiben. Die blutigen sieben wankten innerhalb von zehn Yards an Edward vorüber. Als sie vorbeikamen, blickte John herüber, wie von der Intensität von Edwards Blick angezogen, und ihre Blicke trafen sich, und Edward fragte sich, ob sein Bruder in seinem Gesicht die Qual lesen konnte, die er empfand, die Wut, die Rage, mit der er aufheulen und alles verwüsten wollte. In Johns entstelltem Gesicht sah er nichts als Gleichgültigkeit, so grenzenlos, dass es ihn beängstigte. Der Blick eines Menschen, dem es gleich war, ob die Sonne jemals wieder aufging.
    14 Am folgenden Tag ging er nach Mixcoac und sah der Hinrichtung der anderen vier Saint Patricks zu, die in San Angel verurteilt worden waren. Er hatte nicht vorgehabt, sich nach den Hinrichtungen von San Angel noch weitere anzusehen, doch in dieser Nacht war ihm Daddyjack in einem düsteren Traum erschienen, mit funkelndem Auge und blutig-wilden Haaren, und hatte geflüstert: »Ist noch nich getan, ist noch nich getan.« Er hatte ihn gefragt, was er damit meine, doch Daddyjack hatte nur den Kopf geschüttelt und wieder gezischt: »Ist noch nich getan, sag ich!« Er schien dem Wahnsinn nahe.
    Der Traum beunruhigte Edward und erfüllte ihn mit der Vorahnung, dass John doch noch hingerichtet werden könnte, und so ging er nach Mixcoac, um sich zu vergewissern, dass das nicht der Fall war. Er blieb den Rest jenes Tages und den ganzen nächsten für sich, seine Gedanken völlig von seinem Bruder vereinnahmt.
    An jenem Abend kehrte die Spy Company von ihrem Veracruz-Einsatz zurück, und Dominguez und Spooner erschienen im Hospital und kümmerten sich um Edwards Entlassung. Die drei gingen zu einer Cantina und tranken dort Bier und Tequila und aßen etwas. Dominguez und Spooner warfen Edward grinsend vor, ein Drückeberger zu sein.
    »Ein verfluchtes Humpeln is doch kein Grund, nicht auf ’nem
Pferd
zu sitzen, gottverdammt«, sagte Spooner. »
Wir
sind geritten, überall, über die verdammten Berge und durch das Tieflandgestrüpp und riskierten unser Leben, um Mexiko von Bandidos zu befreien, und
du
liegst hier rum und tust so, als wär’s eine Meisterleistung, drei Mahlzeiten am Tag zu essen und dick zu werden.«
    Dominguez lachte. »Wenn wir beseitigen würden alle Bandidos in Mexiko, wären übrig keine hundert Leute mehr in Mexiko.«
    »Na, ich wär garantiert bei den anderen neunundneunzig«, sagte Spooner, »aber bei euch Jungs bin ich mir da nicht so sicher.«
    Dominguez und Spooner wollten bei der Hinrichtung der dreißig Saint Patricks dabei sein, die vom Gericht in Tacubaya verurteilt worden waren. Edward erklärte sich bereit, sie zu begleiten. Er erzählte ihnen nichts von seinem Bruder, doch seine Befürchtung, dass John noch immer die Schlinge drohte, würde bleiben, bis er auch die letzten Hinrichtungen mit eigenen Augen gesehen hatte.
    15 Sie kamen an, gerade als die Sonne in einer überwältigenden zinnoberroten Glut über den Bergen hervorbrach. Der Galgen war genauso gebaut wie in San Angel, nur zweimal so lang, um die dreißig Verurteilten auf einmal unterzubringen. Er stand auf einem Hügel gleich außerhalb von Mixcoac mit freiem Blick bis Mexiko-Stadt und auf die Festung von Chapultepec, die sich auf einem höheren Hügel knapp westlich der Hauptstadt befand. Die Feuerschale für das Brandmarken war daneben aufgestellt, und ein Schmied betätigte bereits den Blasebalg. Der

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