Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Luft, um das aufspritzende Wasser nachzuahmen, als Edward in den Bach gefallen war. Vor lauter Lachen konnte er kaum gehen.
»Das war nicht halb so komisch, wie du auf den Baum gehüpft bist, das kann ich dir sagen. Hätt ich diesen Burschen nicht erschossen, wärst du die ganze verdammte Nacht dort oben geblieben, bis du runtergekracht wärst und er dich ordentlich aufgespießt hätte.« Doch Edwards Grinsen war schwach. Er wusste, er hatte die lächerlichere Figur abgegeben. Er kniete neben dem Wildschwein und gab vor, es eingehend zu untersuchen, bis John, immer noch lachend, näher kam. Edward sprang auf und fing ihn in einer Bärenumarmung, hob ihn in die Luft und schleppte ihn zum Bach. John erkannte, was er vorhatte, und versuchte verzweifelt, sich zu befreien, doch Edward schaffte es, mit John fest umklammert zum Ufer zu wanken, und er stieß ein irres Lachen aus, als er von der Böschung sprang und sie beide ins Wasser purzelten. Sie kamen prustend und ringend nach oben, und mal drückte der eine den Kopf des anderen kurz unter Wasser, bevor ihm der andere entwischte und seinerseits die Oberhand bekam. Sie tauchten sich gegenseitig ein halbes Dutzend Mal unter, bis sie den Wasserkampf für unentschieden erklärten und hustend, fluchend und lachend wieder ans Ufer krochen. Nach Atem ringend sagte John: »Aber du hättest
wirklich
dein Gesicht sehen sollen … als du …«, und Edward packte ihn in den Schwitzkasten, und das Gerangel ging im Gras am Bach weiter, bis die Sonne beinahe bis zu den Bäumen gesunken war und beide erschöpft waren.
Während John das Wildschwein im Licht der Abenddämmerung ausnahm, machte Edward sich auf die Suche nach den Pferden und fand sie eine Viertelmeile weiter den Pfad hinunter auf einer Wiese grasen. Sie brieten das Schwein an einem Spieß. Die Schenkel erwiesen sich als zäh, doch die Rückenrippen waren schmackhaft, und die Brüder schlugen sich den Bauch voll, bis sie fetttriefend gesättigt waren.
Am nächsten Nachmittag trafen sie auf einer großen Wiese am Waldrand auf eine Lagerversammlung. Es mochten beinahe dreihundert Menschen sein, die sich da versammelt hatten — Männer und Frauen, Kinder und Alte, die Brüder hatten ihre lauten Stimmen beinahe schon eine halbe Stunde, bevor das Lager in Sicht kam, vernommen. Es war ein wolkenloser und schwüler Tag. Sie hielten ihre Pferde hinter der letzten Reihe der Anwesenden an und ließen ihre Tiere im Schatten der Bäume grasen. Dann richteten sie ihren Blick zur anderen Seite der Wiese, wo ein Prediger in Farmerkleidung auf einer Bretterkanzel stand und zur Menge sprach. Er betupfte sich das Gesicht mit einem zusammengeknüllten Taschentuch, und seine angestrengte Stimme klang schwach, doch vernehmbar bis zu ihnen. Er sprach von den zahllosen Segnungen des Christentums und den Belohnungen eines tugendhaften Lebens, und sein Publikum lauschte, nickte und durchsetzte seine Pausen mit einem Chor von »Amen!«.
Dann verabschiedete sich der Prediger von der Menge mit einem »Gott segne euch« und stieg von der Kanzel. An seine Stelle trat ein anderer Prediger, der auch wie einer aussah, gekleidet wie er war, in einem schwarzen Anzug, mit schwarzer Cowboy-Krawatte und einem breitkrempigen schwarzen Hut, unter dem schwarzes Haar bis auf die Schulter herabfiel. Für einen langen Moment stand er da und betrachtete schweigend die Menschenmenge, lehnte sich auf das Podium, als würde er im nächsten Augenblick darüberspringen in das Feld der Menschen hinein. Mitten an diesem drückend heißen Sommertag, an dem sich die Männer immerfort über die Stirn wischten und die Damen sich ohne Unterlass zufächelten, schien er kühl und ohne zu schwitzen dazustehen.
Und jetzt hob er an, vor der versammelten Brüdergemeinde von der Sünde Lohn zu sprechen, der nicht nur sicherer Tod und Verdammnis war, sondern ewige Höllenqual, von den entsetzlichsten Strafen, dem besiegelten Schicksal der verlorenen Seelen. Er begann langsam und sprach so leise, dass John und Edward, die sich ein Stück hinter der Menge befanden, seine Worte kaum verstehen konnten. Doch als er allmählich in Fahrt kam, schwoll seine Stimme an, schwoll immer mehr an und wurde fester und verwandelte sich in die hämmernde Stentorstimme geweihter Autorität. Er sprach von brüllendem Höllenfeuer und Schwefelrauch und Schmerzen, die jeder Vorstellung, jedem Albtraum spotteten. Sprach von gehörnten und pferdefüßigen Dämonen mit dornigen Peitschen, Dämonen, deren
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