Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
von Glasbehältern, einige nicht größer als ein Einmachglas, einige so groß wie ein kleines Fässchen, und jeder enthielt irgendein Körperteil in Whiskey konserviert, nach dem es stark roch. In mehreren Gläsern waren Augäpfel. John war fasziniert von einem Glas mit einem einzelnen Auge darin, so hellblau wie ein Sommerhimmel. Und dann war Edward neben ihm und flüsterte: »Das hat genau die Farbe von Maggies.« John sah ihn an, und Edward runzelte die Stirn und sagte: »Was?«, und John erkannte überrascht, dass er seinen Bruder zornig anfunkelte. Er zuckte die Achseln und sah weg.
»Das dort ist das Auge eines Mädchens, das von unbekannter Seite erstochen wurde«, sagte jemand hinter ihnen, und als sie sich umdrehten, sahen sie den Mann mit der Melone, der an der Zelttür gestanden hatte. »Das hat der Bursche gesagt, der’s mir verkauft hat. Er hat keine Ahnung, was mit ihrem andern Auge passiert ist. Habt ihr Jungs gewusst, dass ein Menschenauge das Bild von dem festhält, was es als Letztes vor dem Tod sieht? Das ist ’ne wahre Tatsache. Guckt nur richtig tief in das Auge da und es kann gut sein, dass ihr das Gesicht von dem Mann seht, der sie umgebracht hat. Vielleicht schwer zu erkennen, aber es ist da. Hab selber ganz tief reingeguckt, und wenn meine Augen mir keinen Streich spielen, bin ich doch ziemlich sicher, dass der Bursche einen Vollbart und einen Maultiertreiberhut getragen hat. Ist nicht so ganz deutlich zu sehen, also, schätz ich, hat sie beim Sterben die Augen halb geschlossen gehabt.«
Edward schnaubte höhnisch und ging weiter, um sich ein Paar grüne Augen in einem anderen Glas anzusehen. Der Mann mit der Melone folgte achselzuckend und sagte,
diese
hätten einer feinen Dame aus New Orleans gehört, die sich im Mississippi ertränkt hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Galan, unterwegs zu ihr auf einem Dampfer, bei einer Kesselexplosion getötet worden war. John verweilte noch bei dem blauen Auge und verspürte einen großen Drang, sich herunterzubeugen und aus nächster Nähe hineinzuspähen. Aber er hatte ebenso viel Angst vor dem, was er sehen könnte, wie es ihm unangenehm war, sich von Edward als Dummkopf auslachen zu lassen, und so zog er stattdessen weiter, um mit seinem Bruder ein beinahe komplett blutrotes Paar Augen zu betrachten, mit schwarzen Pupillen, die so aufgerissen waren, dass nur der kleinste Rand brauner Iris zu sehen war. Der Mann mit der Melone sagte, sie seien von einem verurteilten Mörder, der noch am Galgen seine Unschuld beteuert hatte.
Sie kamen zu einer Reihe größerer Gläser, die kleine Säuglinge enthielten. Einer war nicht voll ausgeformt und hatte Schwimmhäute zwischen seinen winzigen Fingern und einen Klumpen Fleisch zwischen den Beinen, und es ließ sich schwer sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen gewesen wäre. Ein anderer war ein normal aussehender männlicher Säugling bis auf das gezackte Loch in seinem Bauch und Rücken. Der Mann mit der Melone sagte, das Kind sei kurz vor der Geburt gewesen, als sein Daddy, ein Hutmacher, eines Tages durchgedreht sei und zweimal auf seine Frau geschossen habe, einmal in den Kopf und einmal in den Bauch, wobei der zweite Schuss natürlich auch das Kind tötete.
In einigen Behältern schwammen Finger, Ohren und Zungen, in anderen männliche Genitalien. Ein Glas enthielt einen Fuß, den der Mann mit der Melone von einem Burschen oben im Norden gekauft hatte. Den Mann hatte ein Pfeil knapp oberhalb des Knöchels erwischt, und die Wunde hatte sich derart schlimm entzündet, dass er nur die Wahl hatte, zu sterben oder den unteren Teil seines Beines abzuschneiden, was er dann auch tat. »Zuerst wollte er, dass der Fuß ein ordentliches christliches Begräbnis kriegen soll«, sagte der Mann mit der Melone, »aber er überlegte sich, dass er dann buchstäblich einen Fuß im Grab hätte, und der Gedanke war ihm richtig unheimlich. Aber mit dem Fuß in seiner Satteltasche herumreiten wollte er auch nicht, da er wusste, sowie der Tau kam, würde er faulen. Ich kann mit Stolz sagen, dass ich ihm eine gute Lösung für sein Problem angeboten hab. Ich hab ihm gesagt, es wäre ein viel besseres Schicksal für diesen Fuß, in meinem Wagen herumzureisen. Er hat ihn mir sofort verkauft, als ich ihm gesagt hab, solange dieser Fuß in dem Glas Whiskey bleibt, hat er immer einen Fuß
außerhalb
des Grabes, auch wenn der Rest von ihm schon tot und begraben ist.« Der Mann lachte mit zurückgeworfenem Kopf und weit
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