Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
durch den Hals. Es war Lucas Malone, der sich da rührte, wieder stöhnte und sich dann langsam und bedächtig wie ein alter Mann aufsetzte. Er sah John aus seinen blutunterlaufenen Augen an, während er seine Zunge behutsam im Mund umherbewegte, vorsichtig zwei Finger hineinsteckte und einen Zahn herausholte. Er betrachtete ihn mit einer erbärmlichen Grimasse, und John sah die neue Lücke in seiner oberen Zahnreihe.
Im Raum waren drei weitere Männer, zwei von ihnen lagen bewusstlos da, der andere saß unweit von Lucas und sah sie ohne die geringste Spur von Interesse an. Jetzt ertönte ein lautes Klappern an der schweren Holztür, das Schloss klickte, und dann schwang die Tür auf und der Eingang füllte sich mit einem schnittig uniformierten Army-Sergeant, der Lucas und John mit düsterem Blick musterte.
»Ihr traurigen Dreckskerle seid im Militärgefängnis der Garnison«, sagte der Sergeant mit rauer Stimme. »Zwei von denen, die ihr gestern Abend zusammengeschlagen habt, sind Rekruten, die erst gestern von Fort Jessup angekommen sind. Der eine hat ein Auge verloren, und dem andern leckt das Gehirn aus dem zertrümmerten Schädel. Wahrscheinlich stirbt er, noch ehe der Tag um ist. Dann kriegt ihr beide ’ne Anklage wegen Mord, weil sich nicht sagen lässt, wer von euch beiden zugeschlagen hat.« John und Lucas sahen einander finster an.
»Jetzt hört gut zu«, sagte der Sergeant, »ich sag das nämlich nur einmal. Ich scher mich einen Dreck um euch beide oder um die beiden Scheißköpfe, aus denen ihr Mus gemacht habt, doch wegen euch Dreckskerlen bin ich jetzt zwei Männer unter meiner Quote für das Schiff nach Texas und will verflucht sein, wenn mein Arsch deswegen dafür draufgeht. Also hört gut zu. Ich kann euch an das städtische Gefängnis übergeben, bis ihr vor Gericht kommt und für die nächsten zwanzig Jahre in irgendei’m Straflager in den Sümpfen landet, wo ihr hingehört – oder ihr könnt euch anmelden, um die Plätze von den beiden einzunehmen, und noch heute Nachmittag nach Texas unterwegs sein. Ihr schlagt euch gerne, dann könnt ihr zeigen, wie ihr euch gegen die scheiß Mexikaner schlagt. Also, ich frag das nur einmal: Was soll’s sein?«
Der Mann neben Lucas machte Anstalten sich zu erheben und sagte: »Zum Teufel damit,
mir
is die Army lieber als ’n verdammtes Straflager.«
Lucas Malone packte ihn am Kragen, riss ihn zurück, und sein Kopf schlug mit einem mächtigen Knall gegen die Wand, und er sackte zusammen und rührte sich nicht mehr. Lucas stand auf und sah zu John hinunter. »Was soll’s, Johnny, mein Junge. Army ist besser als Straflager, so viel is sicher.«
John zögerte nur einen Augenblick, bevor er die Achseln zuckte und seine Hand hochhielt. Lucas nahm sie und zog ihn auf die Beine, und sie grinsten einander schief in die zerschlagenen Gesichter.
»Also gut«, krächzte der Sergeant, »kommt mit.«
Sie unterschrieben die übliche Urkunde für eine fünfjährige Dienstverpflichtung:
ICH _________________ GELOBE FEIERLICH, DASS ICH DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA WAHRE TREUE UND GEHORSAM ENTGEGENBRINGEN WERDE UND DASS ICH DIE BEFEHLE DES PRÄSIDENTEN DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA BEFOLGEN UND IHNEN GEHORCHEN WERDE SOWIE DENEN MEINER VORGESETZTEN ENTSPRECHEND DEN GESETZEN UND ARTIKELN DES KRIEGES .
Der Sergeant fügte auf der Urkunde die erforderliche Anmerkung hinzu, dass er den oben genannten Rekruten vor der Unterzeichnung persönlich untersucht habe und ihn »zum Zeitpunkt der Anmeldung in vollkommen nüchternem Zustand« vorgefunden habe. Anschließend brachte er die beiden zu einem Arzt mit verquollenen Augen, der gerade aufgeweckt worden war und dessen Atem selbst über den halben Raum hinweg nach Whiskey stank. Er ließ den Blick einmal kurz über jeden von ihnen gleiten, bevor er ihre Anmeldeformulare unterzeichnete und somit bestätigte, dass der fragliche Rekrut sorgfältig von ihm untersucht worden sei und dieser seines Erachtens »keinerlei körperliche Mängel oder geistige Schwäche zeigt, die ihn in irgendeiner Weise untauglich macht, die Pflichten eines Soldaten auszuführen«.
10 Noch am Mittag desselben Tages steckten sie in neuen Uniformen und trugen Jaeger-Gewehre über der Schulter. Sie begleiteten den Sergeant und ein halbes Dutzend anderer Rekruten, von denen einige noch jünger als John aussahen, zu einer Schenke weiter oben in der Straße, wo der Sergeant zu Ehren ihrer neuen Mitgliedschaft in der United States Army die
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