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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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keinen Grund gesehen, warum es die Armee nicht zum Rio Grande begleiten sollte. Sie ließen es zu mit der Begründung, es sei gut für die Moral. »Und damit meinen sie auch ihre eigene Moral«, sagte Willeford. »Was man so hört, hat Mrs. Borginnis auch schon ’ne Einladung, die vom General persönlich ›aufzurichten‹.«
    Gemeint war Sarah Borginnis, Ehefrau eines Sergeant der Siebten Infanterie, und in Taylors ganzen Armee als ›The Great Western‹ bekannt. Denn wie das berühmte transatlantische Dampfschiff dieses Namens war sie eine atemberaubende Erscheinung. Es hieß, sie sei mittlerweile bei ihrem vierten Ehemann, und sie war bekannt für ihre großzügige Einstellung zur ehelichen Treue. Sie hatte eine Schwäche für Soldaten und zögerte nie, jedem, der ihr gefiel, ihre Gunst zu schenken. Willefords Behauptung, Old Zack selber sei einer ihrer Bevorzugten, war ein beliebtes Gerücht in der Besatzungsarmee. Doch nahm sie nie Geld im Austausch für ihre Zuneigung, und ihre unzähligen Bewunderer hätten jeden verprügelt, der sie eine Prostituierte nannte. Nicht dass sie jemandes Schutz benötigte. Sie war über sechs Fuß groß und dem Vernehmen nach stark wie ein Maultier. Erst einige Tage zuvor hatte sie vor einem Dutzend Zeugen einen Viehhirten bewusstlos geschlagen wegen seiner lauten Klage, ihr Haseneintopf schmecke so abgrundtief scheußlich, dass er eine mexikanische Geheimwaffe sein könnte, um jeden Amerikaner in der Truppe zu vergiften. The Great Western, hieß es, habe einen großartigen Sinn für Humor bei allem außer ihren Kochkünsten.
    John bekam sie zum ersten Mal eines Abends kurz zu Gesicht, als sie im Lager der Fünften Infanterie erschien, um eine frische Ladung Wäsche abzuliefern, und mit begeisterten Rufen begrüßt wurde. Sie war dunkelhaarig und von verführerischer Gestalt, mit einer schmalen Taille zwischen gerundeten Hüften und vollem Busen, und ihr Mund war breit und sinnlich und schürzte sich schnell zu einer Kusshand als Erwiderung auf die Rufe der Soldaten. Ihr Gesicht hätte hübsch sein können, wäre da nicht eine dunkle Narbe über ihrem Kinn gewesen und eine andere, die ihre rechte Stirn in einer dünnen weißen Linie zu ihrem Augenwinkel überquerte und das Augenlid etwas geschlossen hielt. Die Muskeln ihrer Unterarme hoben sich wie Seile unter den aufgerollten Ärmeln ihres Hemdes ab, und ihre Hände waren groß und grobknochig. Sie nahm eine frische Pfeife Tabak von einem Soldaten an, und John stand ein paar Yards entfernt an einen Wagen gelehnt und sah zu, wie sie rauchte und mit der Gruppe der Gewehrschützen scherzte. Einmal ertappte sie ihn, wie er sie ansah, lächelte und zwinkerte ihm zu, und er spürte, wie er errötete, und wandte sich ab. Er hörte ihr Lachen und verfluchte sich als verdammten Dummkopf und sah wieder zu ihr hin, aber sie verabschiedete sich jetzt von ihren Verehrern, winkte und sagte, bis bald. Dann erhaschte sie sein Starren und zwinkerte wieder und war weg.
    Sie zogen weiter in südliche Richtung auf dem Camino del Arroyo Colorado. Das Land war noch flacher geworden, der Sand weicher. Es gab weniger Bäume und der Chaparral wurde dichter. Die Sonne war erbarmungslos. An jedem einzelnen Tag funkelte Lucas Malone die öde Landschaft an und verfluchte den Namen jedes Mannes in Tennessee, der ihm von Texas’ fruchtbaren Wundern erzählt hatte. Sie schoben sich durch einen Sandsturm, der einen Tag lang ohne Unterlass blies. Ihre Augen waren wund, ihre Lippen aufgesprungen, und die Haut auf ihrem Nacken war sonnenverbrannt und schälte sich. Die Stimmung wurde schlecht und zügellos. Nachts brachen Faustkämpfe um die Lagerfeuer aus, und die Kampfhähne wurden bis zum Tagesanbruch gebockt und geknebelt. Mehr als zwei Tage zogen sie dahin, ohne auf Wasser zu stoßen, und ihre Fässer waren beinahe erschöpft, als sie endlich bei einem schlammigen Bach ankamen und auftanken konnten. Sie erlegten jeden Tag Dutzende von Klapperschlangen. Nächtens wurden sie von Spinnen gebissen und von Skorpionen gestochen. Ein Mann verfiel nach dem Biss einer Vogelspinne in ein zuckendes Delirium und musste mit Seilen gefesselt und in einen Wagen gelegt werden, bis er wieder zu Sinnen kam. Ihre Finger und Lippen waren geschwollen durch die Stiche der winzigen Stacheln der süßen roten Frucht des Feigenkaktus. Es gab viel gemurmeltes Fluchen in der Truppe über die Gemeinheit des Landes.
    Sie waren sechs Tagesmärsche vom Rio Grande entfernt, als er sie zum

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