Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
gewährleisten, dass sie es nicht taten, wurden sie gründlich geknebelt. Riley wurde stärker bestraft, weil er mit Captain Johns’ Säbel Eigentum der United States Army zerstört hatte. Ihre Strafe hätte viel schlimmer ausfallen können, aber weil keiner der beiden Männer Captain Johns tatsächlich geschlagen hatte, und da es Dutzende von Zeugen gab, die bereitwillig aussagten, dass Johns beide Angeklagten mit seinem Säbel verwundet hatte und sie sich lediglich hatten verteidigen wollen, und da Captain Johns weithin einen Ruf als harter Zuchtmeister hatte, beschloss der Offizier, der das Urteil fällte, Colonel Belknap von der Achten Infanterie, dass es keinen Angriff gegen den Captain gegeben habe, sondern nur eine grobe Befehlsverweigerung.
Die Kugel, die jeder der beiden trug, war durch eine vier Fuß lange Kette am Knöchel befestigt. Beim Marschieren trugen sie sie erst unter einem Arm, dann unter dem anderen, verschoben jedes Mal ihr umgehängtes Gewehr zur gegenüberliegenden Schulter, während ihnen durch das zusätzliche Gewicht unter der sengenden Sonne der Schweiß herunterrann. Sie mussten im hintersten Teil der Kompanie marschieren, wo der aufgewirbelte Staub am dichtesten war und ihnen das Atmen noch schwerer gemacht wurde, als es durch die Knebel ohnehin schon war. Der Schweiß strömte ihnen in schlammigen Rinnsalen die zerschlagenen Gesichter herunter und durchnässte ihre Knebel, und sie schmeckten Staub und ihre eigenen scharfen Ausdünstungen. Sie achteten darauf, sich nicht zu oft anzusehen, weil sie jedes Mal anfingen zu lachen und zu würgen.
Nur zur Essenszeit wurde ihnen der Knebel entfernt, und sie bekamen einen Wachmann zugeteilt, der das Redeverbot überwachte, während sie aßen. Einmal, als sich der Mittagessenwächter ein paar Schritte entfernte, um sich von einem vorbeikommenden Kameraden etwas Tabak zu borgen, zischelte Riley, um John auf sich aufmerksam zu machen, und flüsterte dann: »Wie heißt du?«
John sagte es ihm. Riley sagte: »Ich heiße auch John. John Riley. Aber meistens werd ich Jack genannt.«
»Handsome Jack, wie ich höre«, sagte John. Sein Lächeln tat ihm weh und fühlte sich dick und schräg an.
Riley grinste ungelenk und legte die Finger auf sein geschwollenes Gesicht. »So schrecklich hübsch fühl ich mich grade nicht, und das hab ich dir zu verdanken.«
»Von mir hörst du keine Entschuldigung. Diese Klumpen im Gesicht hab ich
dir
zu verdanken.«
Riley kicherte. »Die Beulen sind nix verglichen mit dem Schnitt da auf deiner Wange. Der von mir is wenigstens in den Haar’n, den kann ich unter ’nem Hut verstecken.«
»Dieser Dreckskerl.«
»Ja, keine Art, Männer wie uns zu behandeln. Die Dummköpfe sollten mir lieber Befehle geben, statt mich an eine verdammte Kanonenkugel zu ketten.«
»Vielleicht sieht Old Zack seinen Fehler ein und macht dich morgen zum Kompaniekommandeur«, sagte John.
»Wär nicht sein dümmster Befehl«, meinte Riley. »Ich war mal Sergeant, weißt du. Eines Tages kommt dieser Lieutenant daher, forsch wie ein Frischling und doppelt so dumm, und will mir sagen, wie ich ein Sechspfünder aufstellen muss. Mir! Ich hab schon mehr über die Artillerie vergessen, als dieses Greenhorn jemals wissen wird. Jedenfalls führt eins zum anderen, und er nennt mich einen arroganten Katholik. Na, dann isser irgendwie gestolpert und in den Schlamm geflogen mit seiner nagelneuen Uniform, und keiner hat über ihn gelacht. Und bevor ich mich verseh, wird mir die Schuld gegeben, dass der Trottel so ungeschickt ist, und weg sind meine Streifen.« Er spuckte zur Seite, als wollte er einen schlechten Geschmack loswerden.
»Ich sag dir, Johnny. Ich hasse diese Dreckskerle. Zu Hause in Michigan dacht ich, ich tret in die Army ein, weil die den wahren Wert eines Mannes kennen, die Army, wo ein Mann ein Leben lang arbeiten kann. Verdammt, wie dämlich! Diese Dreckskerle sehen doch nur, dass ich Ire bin. Das sehen die auch bei dir. Schätze, du bist da nicht mal geboren, aber wo kommt dein Alter her, hä?«
»County Cork, hat er immer gesagt.«
»Ah ja, süßes County Cork, kenn ich gut. Hätt ich mir ja denken können, das ist in deiner Art, jawohl. Ich sag dir, Johnny, für die bist du der irische Gauner, der du bist, egal, dass du dich nicht so anhörst. Und die werden dich dafür runtermachen, glaub mir.«
Rileys Ton war beiläufig, doch John spürte die Wut dahinter. Und spürte auch die Wahrheit seiner Worte.
Jetzt lächelte Riley.
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