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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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Vorstellung war hirnverbrannt. Mit ihm kommen – wohin? Und was tun? Eine Farm gründen? Den Rest seiner Tage seinen Lebensunterhalt damit verdienen, in der Erde herumzubuddeln? Und was, wenn sie vielleicht verrückt wurde? Und wenn sich seine Tochter mit vorbeikommenden Fremden einließ oder mit seinem besten Pferd davonlief? Seine Söhne vielleicht eines Tages die Hand gegen ihn erhoben? Ihn vielleicht umbrachten? Er spuckte. Lieber in der Hölle der Einsamkeit schmoren. Dann dachte er:
Du ganz bestimmt
. Er grinste bitter und trieb das Pferd an.
    Das Gelände wurde jetzt wieder waldiger. Die Bäume rückten allmählich dichter zusammen und nahmen an Höhe zu. Schichten von Kiefernnadeln dämpften die Hufe der Stute. Die Verpflegung, die ihm die Frau mitgegeben hatte, hatte er längst verzehrt. Er hatte beinahe seit einem Tag nichts mehr gegessen, als er an einem dunstig-grauen Mittag zu einer Anhöhe kam, von der man auf einen dröhnenden Fluss hinunterblickte. Nicht weit entfernt nördlich auf dem diesseitigen Ufer schwankte und taumelte eine Fähre an ihrer Vertäuung an einem Rollseil. In der Nähe des Stegs stand auf kurzen dicken Stelzen eine schiefe Hütte, aus deren schmalem Schornstein Rauch aufstieg. Edward lenkte die Stute den Hang hinunter.
    Auf einem frisch gemalten Holzschild bei der Fähre stand: TEXES FÄHRE 1 DOLLER . Der Fährmann saß schnitzend auf der Veranda auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne, der gegen die Wand gekippt war. Neben ihm lehnte ein rostiges Kentucky-Gewehr. Er hatte einen zahnlückigen Mund, war beinahe kahl und trug kein Hemd. Sein Unterhemd war grauschwarz vor Dreck. Edward hatte unten vor den Stufen haltgemacht und konnte ihn selbst von dort riechen. Ein noch ranzigerer Geruch wehte vom Haus herüber.
    »Hab ’nen Possum-Eintopf aufm Feuer«, sagte der Fährmann. »’ne Schüssel davon kostet zwei Bits. Was Selbstgebranntes noch mal zwei Bits. Willst du über den Fluss, ist das ein Dollar, wie aufm Schild steht. Nur Münzen. Nehm kein Papier.«
    »Mister, ich würde noch nicht mal ’n Dollar bezahlen, wenn mich der Engel Gabriel persönlich rüberfliegen würde.«
    Der Fährmann antwortete mit schwarzgelbem Grinsen. »Schon in Ordnung. Aber stromaufwärts ist meilenweit keine Furt mehr, nicht so, wie er jetzt fließt.«
    Edward, immer noch im Sattel, betrachtete den schnellen Fluss und das dicht bewaldete Ufer von Texas auf der anderen Seite. Er nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche und sah auf den Fluss, während der Fährmann ihn von der Veranda aus beobachtete. Er hatte Hunger gehabt, bis er den Gestank vom Eintopf des Fährmannes gerochen hatte.
    Er hörte hinter sich ein Pferd schnauben und blickte zum Wald, wo ein Reiter unter den Bäumen hervorkam. Das Pferd war ein recht großer Rappen, doch wirkte er klein unter seinem Reiter, einem riesigen schwarzbärtigen Mann. Er hielt ein kurzläufiges Gewehr über dem Sattelkopf, dessen Knauf so breit war wie ein Kuchenteller. Er trug einen flachkrempigen Hut und einen offenen Gehrock, unter dem ein Paar Pistolen in einfachen Schulterhalftern hingen. Als der Reiter näher kam, erkannte Edward, dass das, was er für Pistolen gehalten hatte, tatsächlich Revolver waren, Feuerwaffen, von denen er gehört, die er aber noch nie zuvor gesehen hatte. Texas Colts wurden sie genannt, obwohl sie im fernen New Jersey hergestellt wurden. Ihnen fehlte der Abzugbügel, und sie enthielten fünf Kugeln, die man alle verschießen konnte, bevor man neu laden musste. Er hatte Geschichten von Grenz-Rangern gehört, die mit solchen Pistolen rote Wilde zu Dutzenden im offenen Gefecht getötet hatten.
    Der große Mann hielt bei dem Schild an, auf dem der Preis der Fährüberfahrt stand, und schien es sich zu überlegen. Er dirigierte sein Pferd mit leisem Schnalzen zur Hütte hinüber und nahm dort Edward mit ausdruckslosem Blick in Augenschein. Seine Augen wanderten zu Edwards leeren Händen, zu der Steinschloss-Pistole und dem Bowie in seinem Gürtel, dem Kentucky-Gewehr in der behelfsmäßigen Sattelscheide. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit der Hütte zu, unterzog den dunklen Türeingang und das Fenster einem prüfenden Blick, den er dann schließlich auf den Fährmann richtete, der, als er ihn aus dem Wald hatte kommen sehen, sein Gewehr aufgehoben und auf seinen Schoß gelegt hatte und sich jetzt unter dem Blick des Mannes nervös die Lippen leckte.
    »Irgendjemand drin?« fragte der Große. Der Fährmann schüttelte den Kopf,

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