Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Tauschgeschäfts sah sich der Wirt immerfort unruhig um, besorgt, seine Frau könnte ihn ertappen.
Eines grauen Abends an einer Kreuzung wurde er von zwei Wegelagerern angehalten, die nicht viel älter waren als er selbst. Der größere hielt ihn mit einer großkalibrigen Steinschloss-Pistole in Schach, während der andere ihn durchsuchte und nichts fand außer dem Päckchen mit den drei verbliebenen Daguerrotypien. Als er sie sah, fiel ihm die Kinnlade herunter. Er warf Edward einen schnellen Blick zu und hielt seinem Partner den Rücken zugekehrt, während er die Bilder aus dem Päckchen in sein Hemd gleiten ließ. Der Räuber mit der Pistole fragte, was er gefunden habe, und er sagte: »Nix, nur den leeren Umschlag hier«, drehte sich um und zeigte ihn seinem Partner und warf ihn weg. Er ging in die Hocke und besah sich Edwards Stiefel genau, die noch abgetragener waren als ihre eigenen, und er lachte und sagte seinem Gefährten, sie seien ja ganz schöne Dummköpfe gewesen, diesen Burschen hier überhaupt zu überfallen. Sie teilten mit ihm ihre letzte magere Ration Dörrfleisch und gaben ihm ein paar Zündhölzer. Doch als Edward fragte, ob er sich ihre Pistole mal ansehen könne, wich der eine sofort misstrauisch zurück, richtete aus der Hüfte die Waffe auf ihn und sagte, er könne sie sich so lange wie er wolle von dort ansehen, wo er stehe. Edward verfluchte sich für so wenig Hinterlist. Die Wegelagerer machten sich Richtung Süden davon, sahen sich noch einmal um und warnten ihn, dass sie ihm auflauern und ihn töten würden, sollte er versuchen, ihnen zu folgen.
Er zog weiter. Fand gelegentlich Arbeit auf Farmen im Tausch gegen eine Mahlzeit und einen warmen Platz zum Übernachten. Hackte Holz, reparierte Zäune, hob Senkgruben aus. Er schippte Dünger und verbrannte Stümpfe. Er war bereit, die erstbeste unbeaufsichtigte Waffe zu stehlen, doch jeder Farmer behielt sein Gewehr dicht bei sich, und Pistolen waren überhaupt keine zu sehen.
Auf einer unkrautüberwucherten Farm, wo Gerätschaften auf einer durchgesackten Hüttenveranda vor sich hin rosteten und kein Mann weit und breit zu sehen war, gab ihm eine schlanke, starke und schöne Schwarze mit einer Farbe wie Karamell ein Kaninchenragout zu essen, das so schmackhaft war, dass er auf den Verandastufen, wo er aß, beinahe laut aufgestöhnt hätte. Sie stand an der Tür und beobachtete ihn, während ihre Kinder ihn hinter ihren Röcken mit großen Augen anstarrten. Selbst durch den Duft des Ragouts hindurch konnte er ihren Moschusgeruch riechen, und er hätte nicht übel Lust gehabt, sie zu berühren, um ihre Bereitwilligkeit zu prüfen, doch unter der kühlen Beharrlichkeit ihres Blickes fühlte er sich unreif und unsicher. Als er zum Weg zurückging, erspähte er an der Seite des Hauses eine Flickendecke, die auf einer Leine zwischen einem Paar junger Kiefern hing, und er trottete hinüber, griff sie sich und rannte davon, obwohl ihm niemand nachrief.
Auf der Straße passierte so mancher Wagen, meistens Richtung Westen, seine in die Decke gehüllte Gestalt, Reisende, die ihm manchmal zu essen gaben, ihn manchmal mit vorgehaltener Waffe verscheuchten oder ihn auch ein Stück mitnahmen. Ein rundlicher Holländer lud ihn ein, zusammen mit seiner Familie bei ihrem Lager unter einer Eiche am Bach das Abendessen einzunehmen. Mitten während der Mahlzeit erhaschte der scharfäugige Vater den Blick, den dieser zerlumpte Kerl mit den wilden Augen und den Händen eines Mannes und seine dreizehnjährige Tochter austauschten, die sich ihrem Daddy gegenüber durchweg mürrisch verhielt. Er sprang auf und versetzte ihr einen Schlag mit der Rückhand, der sie von dem Baumstumpf fegte, auf dem sie saß, und ihren Teller durch die Luft wirbeln ließ. Die Mutter kam herbeigestürzt und kümmerte sich um ihre aus dem Mund blutende Tochter, und wie durch einen Zaubertrick erschien ein Gewehrlauf in Edwards Gesicht, so schnell war der Holländer. Seine Miene verriet Mordlust, doch die Frau, die ihre Tochter an den Busen drückte, flehte ihn an, den Jungen nicht zu erschießen. Der Mann ließ zischend seinen Atem durch die Zähne entweichen und sagte Edward, er solle verschwinden, bevor er bis zehn gezählt habe. Was Edward, der beinahe an seiner Wut erstickte, auch tat und sich mit schnellen Schritten entfernte – er weigerte sich zu rennen –, die Fäuste schmerzhaft geballt. Er überlegte sich, ob er über Umwege zurückkehren und sich von hinten an den
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