Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
war der 17. Januar 1846. Er war länger als einen Monat unterwegs gewesen.
Etwas an diesem Datum nagte einen kurzen Augenblick an ihm, und dann erinnerte er sich, dass es sein Geburtstag war. Er wurde an diesem Tag siebzehn Jahre alt.
Bei einem Verkäufer, der den Bürgersteig fegte, erkundigte er sich nach Flora Bannions Etablissement und erhielt die Auskunft, er müsse bei der nächsten Straße rechts gehen und nach dem rosafarbenen zweistöckigen Gebäude mit einem Blumengarten vor der Veranda Ausschau halten. »Aber diese alte Katze kann sehr eigen sein, wen sie reinlässt«, sagte der Verkäufer, der Edwards zerrissene Erscheinung musterte. »Bei Sally Longacre einen Block weiter wärst du bestimmt eher willkommen.«
Der Himmel im Westen stand jetzt in Brand und glühte rötlich entlang der welligen Wolken. Bei Flora Bannions Haustür war schon eine orangene Laterne entzündet, als Edward am Tor ankam. Gerade wurden zwei lachende Männer in Anzügen eingelassen, dann schloss sich die Tür hinter ihnen. Er ging den Weg hinauf, erklomm die breite Veranda und betätigte den Klopfer, eine gusseiserne liegende Katze. Eine junge Schwarze mit sauberer Schürze öffnete die Tür einen kleinen Spalt, nahm ihn in Augenschein und rümpfte die Nase über seinen Geruch. Sie sagte, wenn er etwas zu essen haben wolle, solle er hinten herum an die Küchentür kommen. Er sagte, er wolle mit John Little sprechen, falls dieser anwesend sei. Das schwarze Mädchen sagte, der einzige anwesende Mann sei Bruno, der Hauswart, der sich gern um jeden stinkenden Landstreicher kümmerte, der hier Ärger machen wollte. Edward hätte das freche Miststück am liebsten geohrfeigt. Nun, sagte er, dann wolle er eben mit Flora Bannion sprechen. Das Mädchen erwiderte, Miss Flora rede nicht mit Fremden, vor allem nicht mit Landstreichern. Sie wollte ihm schon die Tür vor der Nase zumachen, da sagte er schnell, er habe eine Nachricht für Flora von ihrer Schwester Molly in Biloxi. Sie sah ihn argwöhnisch an und hieß ihn dann bei der Küchentür warten.
Die Frau, die dort erschien, war fleischig, mit Säcken unter den Augen, und trug ein glänzendes grünes Kleid. Ihr Mund verzog sich bei seinem Anblick. Sie fragte, welche Nachricht er von Molly habe, und er sagte, sie hoffe nur, es gehe Flora gut, und sie solle wissen, dass sie an sie denke. Die Frau presste die Lippen gereizt zusammen und sagte: »Nie im Leben hat Molly so was gesagt. Du bist doch bloß auch nur so ein verdammter Lügner, der darauf aus ist, mehr zu kriegen, als er verdient.« Sie machte Anstalten, die Tür zu schließen, und er beeilte sich zu sagen, dass er wirklich in Mrs. Clarkes Haus gewesen sei, nahe am Strand von Biloxi. Er beschrieb es schnell und sagte, Mrs. Clarke habe ihm und seinem Bruder empfohlen, dem Etablissement ihrer Schwester Flora Bannion in Nacogdoches einen Besuch abzustatten, und er habe wegen der Nachricht gelogen, weil er gedacht habe, sie würde sich darüber freuen und wäre umso geneigter, mit ihm zu reden und ihm eine Frage zu beantworten.
Sie hielt die Tür fest und sah ihn prüfend an, und ihr Ausdruck wurde etwas weicher. »Na schön, mein Sohn«, sagte sie. »Frag.«
»Ich wollte nur wissen, ob mein Bruder hier ist oder hier gewesen ist, mehr nicht.« Er erklärte, sie seien in New Orleans getrennt worden, hätten sich aber verabredet, sich hier zu treffen, und er wüsste gern, ob John schon auf der Suche nach ihm hier aufgetaucht war. Er beschrieb ihn genau, doch die Frau schüttelte den Kopf und sagte, nein, er sei nicht hier gewesen, daran hätte sie sich erinnert, sie habe ein hervorragendes Gedächtnis für Gesichter. »Pass auf, Süßer«, sagte sie, »geh dich erst mal waschen, verbrenn diese schrecklichen Kleider und zieh dir was Sauberes an, und dann komm wieder, hörst du?«
Er ging auf die andere Straßenseite und tauchte den Kopf in einen Wassertrog, kratzte seine eitrige Kopfhaut durch das triefend nasse Haar, tauchte den Kopf wieder ein und schrubbte sich das Gesicht mit den bloßen Händen, schüttelte dann das Wasser von ihnen ab und setzte sich wieder den Hut auf. Er setzte sich auf den Rand des Troges und betrachtete das rosafarbene Haus. Wäre John dort gewesen, hätte er sich nach ihm erkundigt und Miss Flora hätte sich erinnert. Vielleicht hatte der Stallbursche in Dixie ihm die Nachricht nicht übergeben. Vielleicht hatte der Bursche oder jemand anders Johns Habseligkeiten und den darin versteckten Zettel gestohlen.
Weitere Kostenlose Bücher