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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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einem Taschentuch die Tränen abtupften. Ich kam zu dem Ergebnis, dass es eine ziemlich große Trauergemeinde war. Als ich mich ein wenig in den Gang hinausbeugte, stellte ich fest, dass der Gouverneur bei der Familie saß. Ich erkannte auch seine hübsche, elegante und aschblonde First Lady, die offenbar vor ihm eingetroffen war. Außerdem waren verschiedene Verwaltungsassistentinnen, Sekretärinnen, Bürosklaven und Sachbearbeiter erschienen, deren Anzahl an den Hofstaat von Madonna oder Elvis erinnerte. Die Frau von Gouverneur Stanton hieß Violet, wurde aber nur Vi genannt. Sie trug einen gewaltigen schwarzen Hut, den größten in der ganzen Kirche. Ich stellte fest, dass auch Debbie Winters da war. Sie saß in der dritten Reihe und sah in Schwarz natürlich hinreißend aus. Bud hätte mitkommen sollen, anstatt sich zu drücken. Eigentlich war es seine heutige Aufgabe, Khur-Vays Vergangenheit unter die Lupe zu nehmen. Doch vermutlich lag er noch, ein Kissen über dem Gesicht, im Bett und verpasste so die schöne Debbie. Also war an dem Sprichwort, dass der frühe Vogel den Wurm fängt, doch etwas dran – nicht dass ich Ms Winters als Wurm eingestuft hätte.
    Die Zeit schleppte sich in demselben Tempo dahin, mit dem man einen Elefanten hinter sich herzieht. Nach einer Weile beugte Black sich zu mir hinüber. »Nach der Beisetzung findet in der Villa des Gouverneurs ein Empfang mit Büffet statt«, flüsterte er mir ins Ohr. »Er hat uns eingeladen, und ich habe zugesagt. Ist das für dich in Ordnung?«
    »Klar, nichts lieber als das.« Hauptsächlich deshalb, weil das eine Gelegenheit zum Sammeln von Informationen war, die mir sonst verwehrt geblieben wäre. Wieder wünschte ich, Bud wäre mit von der Partie gewesen, denn sein Charme wirkte bei solchen Anlässen Wunder. Auch bei Hochzeitsempfängen konnte er wunderbar den Salonlöwen mimen. Doch vielleicht war er ja schon fertig mit Khur-Vay und wie geplant unterwegs nach St. Louis, um die noch immer verschollene Mitbewohnerin Melanie Baxter aus Fenton zu finden, denn die war bis jetzt weder an die MSU zurückgekehrt noch hatte sie auf unsere Nachrichten auf ihrer Mailbox reagiert.
    Außerdem wollte sich Buckey Boyd heute bei mir melden und mir mitteilen, ob zwischen der DNA im Haar aus Li Hes Bürste und der des toten Mädchens im Ofen eine Übereinstimmung bestand, was schon viel zu lange dauerte. Auch das bei Cleos Selbstverbrennung geschmolzene Telefon lag im Labor. Ich glaubte zwar nicht, dass sich daran noch etwas finden ließ, doch es bestand immer die Möglichkeit. Falls Buck tatsächlich eine schlechte Nachricht in Sachen Haaranalyse für uns hatte, würden Bud oder ich die Eltern des armen Mädchens in ihrem Theater in Branson aufsuchen müssen, um ihnen das Herz zu brechen. Und so drückte ich mir selbst ganz fest die Daumen, dass Bud als erster aus St. Louis zurückkommen würde, damit der Auftrag an ihm hängen blieb.
    Froh, in der letzten Reihe zu sitzen, reckte ich den Hals, bis ich Mikeys jüngere Geschwister im Blick hatte. Auf Anhieb war klar, dass sein Tod ihnen alle sehr nah zu gehen schien. Ganz im Gegensatz zu Mom. Diese Frau, seine Mutter, war mir ein Rätsel, und zwar eines, das mir auf die Nerven ging. Wusste sie etwas über Mikey, was sonst niemandem bekannt war? Was hatte der Junge getan, um ihr Herz in einen schmutzigen Eisklumpen zu verwandeln? Vielleicht würde ich diese wichtige Frage zu meiner Mission des heutigen Nachmittags machen. Ich würde mir Momma Bär allein vorknöpfen und sie durch miese Tricks dazu bringen, es sich von der Seele zu reden. In Dinge wie diese kann ich mich verbeißen. Buchstäblich und im übertragenen Sinne.
    Endlich war der Gottesdienst aus, und ich beschloss, mir die Spaßveranstaltung zu sparen, mich in die Schlange vor dem Altar einzureihen, um die sterblichen Überreste des armen Jungen zu begutachten und die trauernden Angehörigen mitfühlend anzugaffen. Ich hatte diese Folterqual nämlich bereits selbst durchgemacht, war in einer ähnlichen ersten Bankreihe gesessen und hatte stumpf zu Boden geblickt, während meine Kollegen bei der Polizei von Los Angeles und einige Freunde an dem winzigen weißen Sarg mit dem knienden goldenen Engel darauf vorbeidefilierten. Ich schloss die Augen und hatte noch mehr Mühe als sonst, den Schmerz zurückzudrängen. Wie konnte Mary Fern Murphy nicht um den bedauernswerten Jungen trauern, der da in diesem mit Satin ausgekleideten Sarg lag?
    »Fehlt dir

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