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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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einziges Stiefkind? Hoffentlich. Herrje, da hatte es Aschenputtel mit seiner bösen Stiefmutter ja noch besser getroffen. Ich angelte mir ein Stück glasierten Schinken, einen Löffel Kartoffelsalat, ein knuspriges Croissant und ein paar schwarze Oliven vom Büffet. Black häufte sich den Teller voll. Dann setzten wir uns an einen der weiß gedeckten runden Tische, die dicht an dicht entlang der Wände aufgereiht waren. Sehr gut, so konnte ich besser lauschen.
    Nach einer Weile entdeckte ich die Familie. Alle saßen zusammen an einem rechteckigen Tisch, ein Stück abseits von den anderen. Die Kinder waren stumm und hatten vom Weinen gerötete Augen. Einige schnieften noch. Joseph hatte sich zwischen dem Gouverneur und dessen Frau niedergelassen. Er weinte zwar nicht mehr, sah aber aus, als würde er jeden Moment wieder damit anfangen. Mary Fern thronte auf der anderen Seite des Gouverneurs, ganz in Weiß gehüllt und die Ruhe in Person. Unsere Blicke trafen sich, und sie starrte mich eine Sekunde lang an, bevor sie mich mit einem kaum merklichen Nicken zur Kenntnis nahm. Ich hatte den Eindruck, dass das bereits eine große Ehre gewesen war.
    »Wirst du versuchen, noch einmal mit ihnen zu reden?«, erdkundigte sich Black.
    »O ja, darauf kannst du dich verlassen. Insbesondere mit Mary Fern.«
    »Ich habe den Eindruck, dass sie es mit Fassung trägt.«
    »Mit zu viel Fassung, wenn du mich fragst.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich zuhöre?«
    »Nein, aber ich habe das Gefühl, dass ihr das gar nicht gefallen wird. Mit mir muss sie sprechen, doch du zählst nicht.«
    »Vielen Dank auch«, entgegnete Black.
    Ein junges Mädchen in Kellnerinnenkluft, bestehend aus einer schwarzen Hose und einer gestärkten weißen Bluse mit schwarzer Fliege, schwebte heran und präsentierte uns eine Auswahl an Eistee, Kaffee oder Gläsern mit Weißwein oder Rotwein auf einem Silbertablett von der Größe einer XXL-Pizza. Ich entschied mich für Kaffee, Black nahm Rotwein. Während ich an dem heißen Gebräu nippte, die Wirkung des Koffeins genoss und mich nach der ganzen Kanne, nein, eher zweien, verzehrte, beobachtete ich meine Umgebung und spitzte die Ohren. Unterdessen tat Black sich an dem Essen gütlich und sagte, es sei ausgezeichnet. Ich fand den Schinken in Ordnung, wenn auch ein wenig nelkenlastig.
    Als sich die Gelegenheit ergab, winkte ich einen der kräftig gebauten Sicherheitsleute von der Highway Patrol heran, die bemüht unauffällig herumstanden. Er war einsachtzig groß, hatte graue Schläfen und wirkte, als könne er gut auf sich aufpassen. Wahrscheinlich ein alter Recke, der sich den gemütlichen Posten als Leibwächter des Gouverneurs hart erarbeitet hatte, sodass er nun tagein, tagaus in dieser Luxusvilla herumlungern konnte. Ich zeigte ihm meine Dienstmarke, erklärte ihm meinen Auftrag und bat ihn, Mary Fern zu fragen, ob sie kurz mit mir sprechen könne, bevor ich ginge. Er erwiderte, es sei ihm ein Vergnügen, mir behilflich zu sein. Ich war nicht sicher, ob er das sarkastisch meinte. Doch da er lächelte, ging ich eher nicht davon aus.
    Ich schaute ihm nach, als er sich ihr näherte, und erwartete eigentlich, dass sie verärgert reagieren oder noch mehr starre Eiseskälte verbreiten würde als sonst. Aber zu meinem Erstaunen hörte sie ihm zu, blickte durch den Raum und nickte zustimmend. Nachdem sie leise ein paar Worte mit dem Mann gewechselt hatte, kehrte er an unseren Tisch zurück. »Sie sagt, sie redet mit Ihnen, aber nur allein, unter vier Augen oben im Ballsaal, wenn die Kinder aufgegessen haben. Doch ich soll Ihnen ausrichten, dass ihr Mann noch nicht in der Lage für eine weitere Befragung ist.«
    »Okay, klingt gut. Wo ist denn der Ballsaal?«
    »Im zweiten Stock. Sobald sie fertig ist, kommt sie zu Ihnen und geht mit Ihnen nach oben.«
    Aber, aber, Mary Fern kannte sich ja sehr gut im Haus des Gouverneurs aus. »Vielen Dank.«
    Der Mann trollte sich mit einem Nicken.
    »Nun, wenigstens ist sie kooperativ«, stellte Black fest.
    »Oder sie tut nur so.«
    »Glaubst du, sie ist in die Sache verwickelt?«
    »Ich behaupte nicht, dass sie Mikey selbst die Schlinge um den Hals gelegt hat. Allerdings traue ich ihr durchaus zu, jemanden in den Selbstmord zu treiben.«
    Black warf noch einen Blick auf Mom. Diesmal glomm Neugier in seinen Augen auf, so als betrachte er einen seltenen todbringenden Schmetterling, den er in einem Netz gefangen hatte, durch eine Lupe. Ich fragte mich, ob sie spürte, dass sie mit

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