Das Böse in dir
tot!«
Inzwischen atmete Tee wieder ruhiger, denn Jeff erwähnte mit keiner Silbe, dass er sich im Gebüsch versteckte oder den Plan ausgeheckt hatte. Er erinnerte sich an nichts mehr, genauso wie Tee es ihm unter Hypnose befohlen hatte. Und wenn Tee Glück hatte, würde es ihm auch nicht wieder einfallen. Allerdings konnte noch jede Menge schiefgehen. Also musste Tee sich jetzt beeilen, schnell wieder durchs Fenster in sein Zimmer klettern und dann, genauso schlaftrunken und verwirrt wie die anderen, hinaus auf den Flur schlurfen, um nötigenfalls ein Alibi zu haben.
Trotzdem hatte Tee Grund, sich zu freuen, denn schließlich war die Aktion beinahe erfolgreich gewesen, auch wenn die Dinge eine unerwartete Wendung genommen hatten. Zufrieden beobachtete er, wie Maggie auf einer Trage in den aus Jefferson City herbeigerufenen Krankenwagen geschoben wurde. Zumindest war er sie und ihre ständigen Verdächtigungen nun eine Weile los, was hieß, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Vielleicht hatte sie ja auch eine Rückgratverletzung oder Ähnliches davongetragen und würde ihren Beruf aufgeben müssen. Das wäre einfach zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Wie sich herausstellte, hatte Maggie sich nur die Hüfte gebrochen, irgendetwas mit Osteoporose und mangelnder Knochendichte. Allerdings hatte sie Jeff angezeigt, doch der stritt alles ab, und zwar so glaubhaft, dass die Ärzte die Möglichkeit eines Unfalls nicht ausschlossen. Also war die Welt wieder in Ordnung. Es hieß, Jeff würde eine Weile in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik verbringen müssen, aber auch das war nicht weiter schlimm. Jeff hatte keinen Nutzen mehr für Tee. Sollte er seine Strafe ruhig anderswo absitzen. Und falls er sich jemals an Tees Hypnoseexperiment erinnern sollte, brauchte Tee nichts weiter zu tun, als standhaft zu leugnen. Darin war er gut. Schließlich hatte er jede Menge Erfahrung.
Das Wichtigste war, dass sich in seiner Versuchsreihe die ersten Erfolge abzeichneten. Er war auf dem richtigen Weg, der ihn früher oder später ans Ziel führen würde. Gehirnwäsche. Er liebte das Wort, ließ es sich gern auf der Zunge zergehen und dachte nur noch daran, wozu er in der Lage sein würde, wenn es ihm erst gelang, die Kunst, seine Mitmenschen zu manipulieren, zu verfeinern. Außerdem wimmelte es hier von Jugendlichen, um als Versuchskaninchen herzuhalten. Eines Tages würde er seine Techniken vielleicht sogar an andere Seelenklempner verkaufen können und berühmt werden. Oder er würde zur CIA gehen und seine Fähigkeiten zu Spionagezwecken einsetzen wie in den Thrillern, die er im Kabelfernsehen gesehen hatte. Möglicherweise konnte er ja bei einem Geheimdienst einsteigen und in die Gehirne der Todfeinde der guten alten USA eindringen. Ja, das war eine tolle Idee. Dann würde er der heimliche Held seines Landes sein. Selbst der Präsident würde ihn bewundern und ihm unter der Hand den einen oder anderen Orden zustecken.
Neunzehn
Der einzige freudige Anlass, der am nächsten Tag auf dem Programm stand, war Mikeys Beerdigung, und dreimal dürfen Sie raten: Ich war nicht unbedingt in der richtigen Stimmung, um einer Trauerfeier für den verstorbenen Sohn anderer Leute beizuwohnen. Außerdem würde noch eine weitere Beerdigung folgen: die der armen kleinen Cleo. Ihr Tod war mir sogar noch näher gegangen. Sie war so jung, reizend und unschuldig gewesen. Man hatte auf Selbstmord als Todesursache erkannt, doch ich glaubte das keine einzige Sekunde lang. Jemand hatte an ihrem gelben Telefon mit ihr gesprochen und sie dazu ermutigt, genauso wie jemand Mikey und Li He dazu angestiftet hatte, sich das Leben zu nehmen. Ich würde dieses Schwein finden und hinter Gitter bringen, und wenn es bis zum Sankt-Nimmerleinstag dauern sollte.
Hinzu kam, dass mir dieser plötzliche und unerklärliche Ansturm von Trauer um Zachary und meine völlige Überforderung mit diesem Thema emotional zu schaffen machten. Obwohl Black mich und meine Psyche behutsam mit liebevoller Seelenklempnerfürsorge überschüttete, war mein Kopf ein schwarzes Loch, belagert von düsteren Gedanken und schrecklichen Erinnerungen, die sich zu einem Wirbel verdichteten und von meinem zerrissenen blutenden Herzen aufgesogen wurden. Allerdings hatte mein so genannter Durchbruch von letzter Nacht offenbar doch eine Wirkung gehabt. Wenigstens funktionierte ich wieder und konnte mich besser auf meinen Fall konzentrieren als in den letzten Tagen.
Die Beerdigung
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